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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb
Autoren: Bonnie Nadzam
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gewinnst.«
    »Nein«, sagte er. »So solltest du nicht denken.« Ein Sattelschlepper donnerte an ihrem Wagen vorbei, dann ein zweiter. »Ich sage dir, was es bedeutet. Es bedeutet, du bist meine Glücksbringerin.«
    Sie lächelte.
    »Eigentlich wusste ich das vom ersten Moment an, als ich dich sah.«
    »Wirklich?«
    Er kurbelte das Fenster runter. »Streck mal deine Hand aus, bitte.« Die Sonnenstrahlen blitzten auf dem kleinen goldfarbenen Ring mit dem falschen rosa Stein. »Merk dir das«, sagte er. »Irgendwann, wenn du wieder in Chicago bist, ganz erwachsen und mit Falten im Gesicht, wirst du kein hohes Gras um dich haben, du wirst keinen Vogelgesang hören, keine breite Straße sehen, und dann wirst du dir wünschen, wieder hier zu sein. Und du wirst dich fragen, was wohl mit dem alten Kerl ist, der damals im September mit dir losgefahren ist.«
    Die Straße war still. Keine Autos, nichts, nur der Highway,der helle Himmel und die runde Sonne. Keine Zeugen, außer dem stillen, hohen grünen Mais.
    »Gary«, sagte sie. »Ich weiß, dass es nicht nur für eine Woche ist.«
    Er sah sie an.
    »Ich weiß, du musstest sagen, es ist nur für eine Woche, sonst wären wir nicht losgefahren.«
    »Sag das nicht«, flüsterte er. »Das stimmt so nicht.« Er starrte sie an, sein Gesicht fühlte sich plötzlich ganz warm an.
    Sie starrte zurück.
    »Ist das hier eine schlechte Idee?« In der neuen Stille war seine Stimme klar und achtsam. »Vielleicht ist das eher eine schlechte Idee. Vielleicht sollten wir umkehren.« Er nahm Tommies Hand in seine. »Hör zu«, sagte er. »Ich möchte, dass du dir vorstellst, wie das hier aussieht. Du bist in der Mittelschule. Du bist klug. Du weißt ein paar Dinge. Du guckst manchmal die Nachrichten, oder? Sag Ja.«
    »Ja.«
    »Gut. Jetzt möchte ich, dass du dir vorstellst, du wärst der Fahrer von diesem Wagen.« Er nickte zur Windschutzscheibe. »Und hast angehalten, weil die Ladung sich manchmal löst und verrutscht. Und du bist eine sehr vorsichtige Fahrerin und überprüfst die Ladung alle zweihundert Meilen.«
    »Gut.«
    »Und du gehst um den Wagen herum nach hinten zur Ladefläche und denkst schon daran, dass du im Jette Diner in Iowa City einen Zitronen-Eistee trinken und ein Hühnchen-Sandwich essen wirst. Und du denkst an deinen kleinen Jungen in South Bend – das ist in Indiana. Du hoffst, dass er seine Rechenhausaufgaben macht, und du rückst dir die Baseball-Kappe auf dem Kopf zurecht, und dann siehst du uns. Du siehst mich, und du siehst dich, einen Mann und ein Mädchen so wie uns, in einemWagen wie diesem, und der Mann hält die Hand des Mädchens, so wie ich jetzt, und spricht ernst auf das Mädchen ein, wie ich es gerade tue. Was würdest du denken? Sag es mir, und schon mich nicht.«
    Tommie überlegte, sie legte den Kopf schief und reckte das Kinn. »Also, ich glaube, ich würde denken, das ist ein Typ mit seinem Kind.«
    »Ein Typ mit seinem Kind. Also, seinem Enkelkind?«
    »Ja. Nein. Mit seiner Tochter.«
    Er nickte. »Und wenn jemand dich fragen würde, könntest du ihm in die Augen sehen und sagen, genau das sind wir.«
    »Sicher.«
    »Dann üben wir das mal.« Er ließ ihre Hand los. »He, Kleine, wer ist denn dieser Typ da bei dir?«
    Tommie reckte den Hals, richtete den Blick in die Ferne. »Welcher Typ? Der da? Meinen Sie meinen Dad?«
    Sie lachten beide. »Das machst du sehr gut«, sagte er. »Sehr gut. Du könntest Schauspielerin werden.«
    »Danke.«
    »Das war kein Kompliment«, sagte er. »He. Wir könnten ein Typ und ein Mädchen sein, die so tun, als wären sie ein Schauspieler und eine Schauspielerin. Wir wäre das?«
    Sie zog die Nase kraus. »Du bringst mich durcheinander.«
    »Das machst du mir leicht.« Er lachte, und sie verschränkte die Arme vor der Brust, grinste aber. »Und bist du dir sicher, dass du mit mir die ganze Strecke durch Iowa fahren willst? Und nach Nebraska und Colorado und bis zu der großen Gebirgskette?«
    »Ja.«
    »Und ich entführe dich nicht. Und ich will dich auch nicht umarmen oder küssen oder, also, solche Sachen machen.«
    »Ich weiß.«
    »Gut. Dann sind wir uns also einig?«
    »Sind wir.«
    »Ich meine es ernst, Tom.«
    »Ich auch.«
    »Rocky Mountains, aufgepasst, hier kommen wir.« Er streckte seine Hand aus, und sie schlug ein.
    Als das Mädchen an einer Chevron-Raststätte an der I-80 auf der Toilette war, kaufte Lamb zwei Postkarten und ging nach draußen, bis dahin, wo die Asphaltdecke aufhörte und Unrat
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