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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Nadzam
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Staunen machte ihn glücklich. Ihr Mund stand offen. Süß. Sanft legte er ihr den Finger unter das Kinn und schloss den Mund. Sie kniete auf dem Sitz und blickte sich mit einem breiten Grinsen um, einmal im Kreis, dreihundertsechzig Grad. In der neuen Stille, ohne den Motor, hörten sie das Rauschen von einem Fluss. Auf dem rostigen Wetterhahn saß mit blinkenden Federn eine Elster. Nirgendwo andere Häuser. Nur Gras, am Horizont eine gezackte Berglinie, Bäume, und hinter den Bäumen nichts, nichts, nichts. Lamb klappte das Handschuhfach auf und nahm einen kleinen Schlüsselbund heraus.
    »Ist es so, wie du es dir vorgestellt hast?«
    »Aber«, sagte sie flüsternd, »ich dachte, wir spielen das nur.«
    »Das stimmt ja auch.« Er stieg aus und zeigte zum Haus hinüber. Er zeigte auf die Regentonne neben der Werkstatt. Es war alles so, wie er gesagt hatte. »Komm mit«, sagte er, »ich will dir was zeigen.«
    Sie ging hinter ihm durch die braune Metalltür in eine riesige Werkstatt. Er zeigte auf den Holzofen, auf das Einmachglas neben der Werkbank. Sie guckte sich alles an, dann sah sie ihnmit einem breiten Lächeln an, der Mund offen in ihrem kleinen Gesicht.
    »Ich weiß«, sagte er. Er durchquerte den Raum, machte den Kasten neben dem Einmachglas auf, nahm eine Packung Marlboros heraus und schüttelte eine Zigarette aus der Packung. Er steckte sie sich zwischen die Lippen, hielt sie mit den Zähnen fest und ging dem Mädchen voran zu einer grün gestrichenen Tür. »Na los«, sagte er, »mach auf.«
    Sie drehte den Türknauf, und da war es: das Stockbett, die alten, weichen Schlafsäcke, der Nachttisch.
    »Könnte sein, dass da oben was ist«, sagte er und deutete mit dem Kinn zu dem oberen Bett. Aus der Gesäßtasche nahm er ein Streichholzbriefchen und zündete sich die Zigarette an. Sie ging in die kleine Kammer und kletterte zum oberen Bett hinauf. Auf dem Kissen lag ein Päckchen in braunem Papier.
    »Was steht drauf?«
    Sie kniete auf der Matratze und starrte. »Da steht mein Name drauf.«
    »Mach es auf.«
    »Aber Gary.«
    »Je weniger Fragen du stellst, desto größer ist der Spaß. Also mach es auf.«
    Sie nahm das Päckchen in die Hand. Es war eine zusammengefaltete Tüte, und heraus kam ein blauweiß gestreiftes Nachthemd. Die Streifen waren mit blauen Rosen besetzt.
    Sie lächelte mit schrägem Mund und kletterte wieder runter.
    »Ist das nicht hübsch«, sagte er.
    »So etwas hatte ich noch nie.«
    »Das dachte ich mir.«
    Sie hielt das Nachthemd in der Hand und hob es hoch, sodass es sich auffaltete, und hielt es sich an. »Ich glaube, es ist ein bisschen zu groß.«
    »Da wächst du rein.«
    Sie befühlte das blaue Satinband, das um den Halsausschnitt gefädelt war.
    »Ich dachte, wir gehen zum Fluss.«
    »Kann ich es anziehen?«
    Er sah sie an. »Wenn du möchtest«, sagte er. »Diese Woche bestimmst du.«
    Sie ging mit dem Nachthemd in der Hand durch die Kammer und legte die Hand auf den Türknauf. »Geh raus«, sagte sie, »ich ziehe mich jetzt um.«
    Als sie aus der Werkstatt kam, hatte sie das blauweiße Nachthemd an und hielt es am Saum hoch: darunter bloße Füße.
    »Komm«, sagte er, »wir rennen um die Wette zum Fluss.«
    Der Feldweg schwang in einer blass erdfarbenen Biegung nach Nordwesten, und als Lamb mit dem Mädchen darüber hinweg zum Fluss ging, konnte er das Weiß eines anderen Hauses sehen. Eine knappe Meile die Straße entlang.
    »Gary«, flüsterte Tommie und blieb stehen. Sie zeigte auf das Ufer gegenüber, wo auf einer Wiese mit gelbgrünem und grauem Gras mehrere Rehe und ein Hirsch, ein Vierender, ästen. Lamb nickte, als wüsste er, dass sie da waren, als hätte er das alles bestellt, die Rehe, das wogende Gras, die Äste der Weiden wie rote Streifen am blauen Himmel. Er lächelte zu ihr hinunter, als wollte er sagen: Habe ich es dir nicht gesagt? Sie gingen weiter, über Salzgrasbüschel, auf denen ihre Schritte knirschten, sodass Feldmäuse aufgeschreckt flohen und dann auch die Rehe aufsahen und davonstoben, auf die fernen Berge zu.
    Das Mädchen stand still und guckte ins Wasser, hinter ihr schwangen die biegsamen Äste der Birken. »Können wir schwimmen gehen?« Unter dem sauberen weißen Nachthemd zeichnete sich die Rundung ihres Bauches ab, auf ihren Wangenund Händen waren unzählige Sommersprossen, und er wollte die Hand ausstrecken und sie so anhalten, wie sie in dem Moment war. Sie der Frau entreißen, in die sie mit jedem Tag hineinwachsen würde. Das Wasser

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