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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Nadzam
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Birkengeflecht über ihnen. »Wie geht es Mrs. Foster?«
    »Eine Krankenschwester kommt zweimal in der Woche von Casper.«
    »Ach, das ist gut. Das freut mich.«
    Der alte Mann steckte die Hände in die Hosentaschen. »Brauchen Sie was?«
    »Nein, danke.«
    »Da muss mal richtig saubergemacht werden. Drinnen und draußen.«
    »Ich weiß.«
    »Calhoun hat immer jeden einzelnen Balken gewienert.«
    Lamb lächelte. »Das sagen Sie jedes Mal.«
    »Hinten am Haus kommt die Regenrinne runter.«
    »Ich weiß. Danke.«
    Sie schüttelten sich die Hände, und als Foster durch das hohe Gras zurückging, saß das Mädchen am Ufer in der Hocke, das Nachthemd zwischen die Oberschenkel geklemmt, und sah zu Lamb auf.
    »Er ist ein Blödmann.«
    »Pass auf, was du sagst.«
    »Stimmt doch.«
    »Ich bin gewissermaßen der Neue in der Gegend. Am besten, man stellt sich gut mit ihm. Wenn einer so lange hier gelebt hat wie er, denkt er, er hat Anrechte.«
    »Anrechte?«
    »Als gehörte ihm alles. Sein Fluss, sein Gras, seine Angelegenheiten.«
    »Seit wann wollen wir für immer hierbleiben?«
    Lamb setzte sich neben sie, die Füße im Gras ausgestreckt, die Arme hinter sich aufgestützt. »Wir bleiben nicht für immer. Nur vier Tage. Dann kehren wir um und liefern dich wieder bei deiner Mutter ab. Mit rosigen Wangen und die Haare vom Wind gezaust und neunzehntausend neue Sommersprossen an Hals und Gesicht.«
    »Und wenn ich länger bleiben will?«
    »Pech.«
    »Das ist nicht fair.«
    »Gerade eben noch wolltest du sofort umkehren.«
    »Ich hab’s mir anders überlegt.«
    »Junge.« Er pfiff. »Du hältst mich ganz schön auf Trab.«
    »Muss ich jetzt Emily sein?«
    »Möchtest du nicht Emily sein?« Die Blümchen auf dem Saum waren dunkelblau und nass vom Fluss.
    »Wie ist sie?«
    »Also, zum einen ist sie außerordentlich schön. Der Wind und der Fluss und die Luft haben Wunder gewirkt mit ihrer Haut.« Tommie verdrehte die Augen. »Nein, im Ernst. Und je mehr sie barfuß draußen rumrannte und ihr Gesicht im kalten Flusswasser wusch und sich Erde in die Haare rieb, desto schöner wurde sie.«
    »Was noch?«
    »Sie wurde immer klüger, während ihres Aufenthalts im Westen. Ich meine, erstaunlich klug. Möchtest du wissen, warum?«
    »Warum?«
    »Sie hatte einen fantastischen Begleiter.«
    Nur langsam sickerte der Witz zu ihr durch, und sie lächelte. »Ich habe Hunger.«
    »Ich weiß. Ich überlege schon die ganze Zeit, wie ich dir was zu essen beschaffen kann. Sollen wir das Gelände ein bisschen erforschen?«
    * * *

Es war das Natürlichste von der Welt. Die Tage wurden kürzer, der Herbst nahte. Bald würden sie beim Feuer frühstücken und das Geschirr im Flusswasser spülen. Abends gäbe es heißen Kakao.Am Ufer würden sie Treibholz sammeln und für den Ofen spalten. Er stellte sich vor, er würde am offenen Feuer ein komplettes Thanksgiving-Essen für sie zubereiten.
    »Könntest du das wirklich?«
    »Natürlich könnte ich das.«
    »Mit Truthahn?«
    »Mit Wachtel. Und einer Forelle aus dem Fluss. Und Süßkirschenwein.«
    »Wein für uns beide?«
    »Für dich nur einen Schluck.«
    Hier sollten wir wahrscheinlich innehalten, um uns auszumalen, wie es unterdessen in Illinois aussah. Wo Tommies Mutter nämlich anfangs dachte, Tommie sei im Einkaufszentrum, oder bei einer Freundin. Und Tommies Mutter dann feststellte, dass sie seit Tagen nicht richtig durchgeatmet hatte. Und auf der Stelle zu rauchen anfing, damit jeder Atemzug bis zu ihrem Tod eine Mühe wäre und sie jeden einzelnen zählte, bis zu dem Moment, da Tommie wieder bei ihr war.
    Und wo Jenny und Sid befragt wurden. Ermittlungsbeauftragte, Sozialarbeiter, Eltern – alle versammelt in einem Raum mit grünem Filzteppich und Tafeln, die mit einem trockenen Schwamm abgewischt wurden, einer Kaffeekanne und Stühlen, die im Kreis aufgestellt waren. Wo die Mädchen nacheinander befragt wurden, und jedes bei derselben Frage in Tränen ausbrach. War es eine Art Mutprobe gewesen? Und sich entschuldigten und so, wie sie neben ihren Eltern standen, noch Kinder waren. Wo eine Sozialarbeiterin fragte, ob ihnen klar sei, in welcher Gefahr ihre Freundin sich befinde. Und die Mädchen alle Einzelheiten erzählten, an die sie sich erinnern konnten: dass sie sich hautenge Oberteile zurechtgeschnitten und mit Heftklammern zusammengeheftet hatten und sich die Arme mit tintenblauenSommersprossen betupft hatten. Dass sie im Flüsterton über Menstruation gesprochen und Tommie erklärt

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