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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Nadzam
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sich den Kopf am Wannenrand. Er ließ sich auf die Knie nieder. »Oh, Mann«, sagte er und fühlte nach dem Stöpsel. Jetzt brach lautes Weinen aus ihr heraus, und er hatte Angst, man könnte sie in den benachbarten Zimmern hören. »Sch«, sagte er. »Sch. Was ist denn passiert? Was hast du gemacht? Hast du dir auf die Zunge gebissen?« An ihrem Kinn war Blut. Immer noch lief Wasser in die Wanne. »Tommie, bitte«, sagte er. »Es tut mir leid. Himmel, sag, dass du mir verzeihst. Oh Gott, du kannst mir nicht vertrauen. Da siehst du es, du kannst mir nicht vertrauen.« Er flüsterte, das Wasser prasselte aus dem Hahn, und das Mädchen lag in der Wanne, vom Weinen geschüttelt, den Mund mit der Hand verschlossen.
    »Du musst dir die Sachen ausziehen. Ich lass dich jetzt allein, und du ziehst dir die Sachen aus und legst sie auf den Badewannenrand, und ich hänge sie dann zum Trocknen auf, okay?« Ihre Unterwäsche. »Tom. Tom, ich kann dich so nicht verstehen, atme tief ein.« Er legte ihr eine Hand auf den Rücken und atmete mit lautem Stöhnen aus. »Ahhh«, seufzte er. »Gut so? Tief einatmen. Ahhh. Kann ich dich allein lassen?«
    Nichts. Bebendes Ausatmen.
    »Hör zu, Tom. Ich will dir helfen, okay? Ganz schnell. Wir waschen dich schnell, dann kannst du schlafen, einverstanden?« Er riss das Papier von einem Stück Seife ab und legtedie Seife auf den Badewannenrand. »Hier«, sagte er. »Heb mal den Po an.« Sie rührte sich nicht. »Gut, Tom. Du bist ein großes Mädchen. Du kannst das alleine. Ich gehe jetzt raus, das Licht ist aus, und du ziehst dir das Hemd und die Unterhose aus und lässt die Sachen auf dem Rand, in Ordnung?«
    »Ich will.« Sie schniefte. Sie fuhr sich mit der Hand unter der Nase her und beschmierte sie mit Rotz und Blut. »Nach Hause.«
    »Nein«, sagte er. »Das willst du nicht. Hier.« Er hob ihren Arm an, zog ihr das Hemd über den Kopf und hielt den Atem an. »Ich gucke nicht«, sagte er. »Ich verspreche es dir. Ich helfe dir nur beim Baden, okay?« Sie nickte. »Jetzt die Unterhose. Gut so. Brav. Hoppla. Hoppla. Und das andere Bein. Sehr gut. Wunderbar. Jetzt die Seife«, sagte er. »Seife, hier.« Er legte ihr das Stück in die Hand. »Sch«, sagte er. »Sch. Seif dich ein. Du weißt, wie das geht. So ist es doch in Ordnung, oder? So, wie ein Vater dir helfen würde, wenn du krank wärst. Oder wenn du dir den Kopf gestoßen hättest. Lass mich mal dein Kinn ansehen. Ist es schlimm? Streck mal die Zunge raus.« Sie saß in der Wanne und hielt das Stück Seife in der Hand, also nahm er es und rieb es zwischen seinen zitternden Händen. Dann wusch er sie. Er wusch ihr das Gesicht. Er sprach die ganze Zeit, ununterbrochen, sie ließ den Kopf hängen, und er hob erst den einen Arm, dann den anderen, wusch ihr Achselhöhlen und Brust, mechanisch, unbeteiligt, wie eine Krankenschwester. »So, fertig«, sagte er in einem Singsang: »Alles schön sauber. Morgen schlafen wir ganz lange, den ganzen Tag, wenn wir wollen. Wir bleiben hier und schlafen und gucken fern und essen Snacks.« Er drehte den Wasserhahn zu. Plötzlich war es ganz still im Zimmer. Das Wasser in der Wanne schwappte leise. Er nahm ihre Füße und wusch ihr die Zehen und die Waden, er fuhr mit der Seife an der Unterseite ihrer Oberschenkel entlang und um denPo herum, über die zarte Haut, so zart wie die Innenseite ihrer Arme. »Wir machen die Jalousien zu, legen uns zwei Kissen unter den Kopf, ziehen die Decke hoch und schlafen.« Jetzt flüsterte er. Wieder schwappte das Badewasser. »Du kannst dich an mich schmiegen. Du kannst schnarchen und« – mit der hohlen Hand schöpfte er Wasser und ließ es ihr über den Kopf laufen – »und träumen und träumen.« Er stellte sich hin und nahm den in Zellophan verpackten Becher von der Konsole. »Ich wasche dir noch die Haare, dann bringe ich dich zu Bett. Als wärst du meine kleine Tochter. Als wärst du mein Kind. So ist es gut. Genau so. Streck dich ruhig aus. Lehn dich zurück – ja, so. Leg deinen Kopf in meine Hand. So ist es gut. Ganz ruhig. Gut.« Und er ließ warmes Wasser über ihr Haar laufen und wusch es mit Shampoo und massierte ihr mit kleinen kreisförmigen Bewegungen die Kopfhaut, das Wasser schwappte im Dunkeln, und er spürte, wie sie ihren Kopf in seine Hand sinken ließ. »Möchtest du in dieser Woche meine Tochter sein?« Dann sagte er: »Ganz mein?« Sie nickte mit ihrem nassen, seifigen Kopf in seiner Hand, und alles war gut, alles war in Ordnung, er

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