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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Nadzam
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im Fluss war so niedrig und klar wie das ganze Jahr über, brach sich aber in kleinen schaumigen Wellen über einer Reihe von Steinen. Am hellen flachen Wasserrand bog sich sanft das gelbe Gras. Vor seinem inneren Auge sah er, wie sie sich den Schädel anhaute, stellte sich allzu lebhaft vor, wie die Geschichte plötzlich kippte und er mit einem toten Mädchen dastand.
    »Dazu ist es nicht tief genug. Guck mal, die Felsen da.«
    »Oh.«
    »Aber wir können angeln.«
    »Oh.«
    »Das interessiert dich nicht?«
    »Ich mag keinen Fisch.«
    »Na, du hast noch nie Fisch gegessen, der frisch geangelt aus dem Fluss kommt. Wenn man solchen Fisch isst, überzieht sich die eigene Haut mit einem Hauch von Silber.«
    »Du bist komisch.«
    »Nein, ich meine es ernst.«
    »Verschwinden davon meine Sommersprossen?«
    »Es macht sie zu hellen Lichtpunkten, dass man davon geblendet wird.«
    »Kann ich wie Medusa sein, dass die Menschen tot umfallen?«
    »Nicht dass du denkst, du kannst die Gesetze des Universums neu schreiben.«
    »Ich dachte, das ist das Spiel, das wir spielen.«
    »Ach, du Liebes.« Er bückte sich und hob einen glatten Stein auf. »Das hier ist kein Spiel.« Er hielt ihr den Stein hin, damit sie ihn küsste, und ließ ihn dann über das Wasser springen.
    »Dann kannst du es vergessen.« Sie bückte sich und suchte einen Stein. »Ich will keinen Fisch.«
    Kleine braune Vögel, in den roten Zweigen der Weide verborgen, flogen in einem Schwung in das blaue Licht. Das Schwappen und Platschen des Wassers im Fluss, das verlegen machte. Die durchdringenden schrillen Schreie, mit denen die Vögel die stille Luft durchschnitten. Das hohle Rauschen des Windes. Der gerüschte Saum ihres Nachthemdes, der sich in der Brise hob und im Gras hängenblieb.
    »Willst du mit den Füßen ins Wasser gehen?«
    Alison Foster sah sie am Fluss stehen, das kniehohe Gras um sie herum schwankend und wogend wie Ballen von Seide um ihre Beine. Er sah, wie der Mann dem Mädchen die Hand auf den Kopf legte und ihr durch das Haar fuhr. Er sah, wie das Mädchen fortlief, hörte ihr kleines hohes Lachen und das tiefe Summen seiner Antwort. Sonnenlicht traf auf das Haar des Mädchens und legte sich wie eine hell schimmernde Krone um ihren blassen Kopf. Foster räusperte sich. Hob sein zitterndes Gesicht zu ihnen. »Das hier ist Privateigentum«, sagte er.
    Das Mädchen zuckte zusammen, aber Lamb legte sich die Hand als Schirm über die Augen und sah den hageren alten Mann an. »Es ist mein Land«, sagte er und grinste.
    Gerade als Lamb dem Mädchen die Hand auf den Kopf legen wollte, ließ sie ihre Hand in seine gleiten. Sein Herz machte einen Satz, seine Kehle war wie zugeschnürt. »Meine Nichte Emily«, sagte er dann zu Foster, der weder zu dem Nachthemd des Mädchens noch zu dem blauen Fleck auf Lambs Gesicht etwas sagte. Er sah das Mädchen von oben her an und zeigte auf ihre nackten Füße. »Das ist gefährlich.« Das Mädchen sagte nichts. Alison drehte sich zu Lamb um. »Sind Sie länger hier? An dem Haus muss was gemacht werden.«
    Lamb lächelte. »Wir sind nur eine Woche hier. So war wenigstens der Plan. Aber gerade hat Em gesagt, sie könnte für immer bleiben.«
    »Nicht sehr geeignet für ein Mädchen.«
    »Mir gefällt es hier«, sagte Tommie.
    »Na ja.« Er lächelte dünn. »Ein Mädchen kann sich nicht aussuchen, wo es wohnt, was?« Er sah Lamb an. »Wie alt?«
    »Fast zwölf«, antwortete sie.
    Foster beachtete sie nicht. Lamb sah sie an und dann den alten Mann. »Sie ist elf.« Foster nickte. »Em, kannst du uns einen Moment allein lassen? Geh und steck deine Stadtfüße noch ein bisschen ins kühle Wasser.« Das Mädchen nickte und ging zum Ufer. »Aber nicht, dass du reinfällst«, rief er hinter ihr her, dann sprach er mit leiser Stimme. »Sie hat gerade ihre Mutter verloren«, sagte er. »Wir sind für ein paar Tage hier, um – also –, um zu überlegen, wie es weitergehen soll.«
    »Tut mir leid. Ihre Schwester?«
    »Schwägerin. Danke.«
    »Krebs?«
    »Autounfall. Betrunken am Steuer.«
    »Ja, das tut mir leid. Ein Unglück, das.«
    »Sie nimmt es sehr schwer. Sogar hier.«
    »Wie gesagt. Für ein Mädchen nicht geeignet.« Sie standen nebeneinander und sahen über den Fluss. »Schrecklich, ein Haus in diesem Zustand.«
    »Na, ich muss einfach mal länger als eine Woche herkommen und mich drum kümmern.«
    »Sie bringen sie wieder zurück Richtung Osten?«
    »Das haben wir vor.« Lamb hob den Blick vom Fluss zu dem

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