Mr Monk und die Feuerwehr
war.
Ein Hotel konnte noch viel schlimmer sein. Vielleicht war der Fernseher nebenan zu laut, vielleicht liebte sich ein Pärchen im oberen Stockwerk, vielleicht spielten Kinder im Zimmer unter ihm. Und selbst wenn keine störenden Geräusche zu hören wären, würde ihn vielleicht schon das bloße Wissen, dass so viele Leute im Gebäude waren, von seinen Gedanken ablenken. Und was, wenn ihm nicht aus dem Kopf gehen wollte, dass schon Hunderte andere Menschen in diesem Zimmer übernachtet und das Badezimmer benutzt hatten? Und wenn das alles noch nicht ausreichte, um ihn hoffnungslos abzulenken, war da immer noch die Gefahr, dass die Tapete nicht auf Ansatz geklebt worden war.
Im Vergleich dazu musste ihm unser Gästezimmer wie eine Gummizelle erscheinen – auf eine nette Weise, falls so etwas überhaupt möglich ist.
Was er tatsächlich meinte, waren Julie und ich. Wir waren diejenigen, die ihn ablenkten.
Ich stand vom Bett auf. »Ich lasse Sie jetzt mit ihren Gedanken allein.«
»Nein, nein, ich komme mit«, sagte er und erhob sich.
»Und was ist mit all diesen Fakten, die sich noch zusammenfügen müssen?«
»Das werden sie später machen«, erklärte er. »Das Problem bei so viel Platz ist, dass ich niemandem bei der Hausarbeit helfen kann.«
Ich musste innerlich lächeln. So sehr er sich vor dem Kontakt zu anderen Menschen fürchtete, war es schön zu wissen, dass sogar ein Adrian Monk auf diesen Kontakt nicht ganz verzichten konnte.
14. Mr Monk und der verregnete Tag
Als ich am Dienstag um sechs Uhr aufstand, hatte Monk bereits geduscht und sich rasiert. Er war fertig angezogen, und die Badewanne was so blitzsauber, dass man darin eine Operation hätte vornehmen können.
Mich hätte es nicht gewundert, wenn er die ganze Nacht im Badezimmer verbracht hätte, nur um sicherzustellen, dass er am Morgen der Erste war. Falls dem wirklich so war, konnten Julie und ich froh sein, dass wir nicht mitten in der Nacht das Bedürfnis hatten, auf die Toilette zu gehen.
Wir drei aßen jeder eine Schüssel Chex zum Frühstück, wobei wir unser neues Geschirr benutzen konnten. Und wir reichten uns gegenseitig Teile des Chronicle . Auf der letzten Seite stand ein Bericht über einen Brand in einem Lagerhaus in der vergangenen Nacht. Das Dach war eingestürzt, zwei Feuerwehrleute waren dabei verletzt worden und lagen jetzt im Krankenhaus. Meine Kehle schnürte sich zu. War das das Feuer, zu dem Joe gerufen worden war, als wir telefonierten? Was, wenn er einer der beiden Verletzten war?
Es war halb acht, also noch zu früh, um auf der Feuerwache anzurufen, wenn ich nicht gerade alle aufwecken wollte. Ich sollte besser später anrufen. Oder sollte ich vielleicht doch sofort anrufen?
Eine lautes Hupen riss mich aus meinen Gedanken, es war Julies Mitfahrtmöglichkeit zur Schule. Sie stopfte alle Bücher in ihren Rucksack, nahm sich die Tüte mit ihrem Essen und lief zur Tür, als ich sie zurückrief.
»Vergiss nicht deinen Regenmantel«, sagte ich und nahm ihn vom Haken an der Tür.
Sie hasste es, einen Regenmantel zu tragen. Lieber wurde sie bis auf die Knochen nass. Aber gerade mal ein Jahr zuvor hatte sie den Regenmantel so dringend benötigt wie nichts anderes auf der Welt. Jeder trug zu der Zeit einen solchen Mantel, und sie wäre aus der Teenager-Gemeinschaft ausgestoßen worden, wenn sie sich ohne Regenmantel gezeigt hätte. Bei Nordstorm kostete er stolze hundert Dollar, aber bei eBay fand ich einen zum beinahe halben Preis. Vermutlich hatte man ihn irgendwo gestohlen oder er war eine Fälschung, doch er rettete Julie vor der sicheren Schmach, und sie trug ihn, ob es regnete oder ob die Sonne schien. Bis der allgemeine Geschmack sich wieder änderte, Regenmäntel plötzlich nicht mehr angesagt waren, und es in war, klatsch-nass zu werden.
»Mom«, jammerte Julie. »Muss das sein?«
»Die Wahrscheinlichkeit, dass es regnet, liegt bei sechzig Prozent«, sagte ich. »Nimm ihn einfach mit, dann bist du gewappnet.«
»Dann werde ich eben nass«, konterte sie. »Na und?«
»Nimm ihn mit.«
»Es ist doch nur Wasser. Da kommt ja keine Säure vom Himmel«, versuchte sie zu argumentieren.
Ich hatte weder Zeit noch Geduld für eine Diskussion, also zog ich den Reißverschluss ihres Rucksacks auf und steckte den Regenmantel aufgerollt hinein.
»Du wirst mir später dafür dankbar sein«, sagte ich.
»Du hörst dich an wie er .« Sie deutete auf Monk und stellte damit klar, dass es nicht als Kompliment gemeint
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