Mr. Peregrines Geheimnis: Roman (German Edition)
Nacht geklettert war.
Ein Blick durch den alten Rahmen auf die Bäume, und die Schule war sofort vergessen. Dabei fühlte er sich so leicht und glücklich, als habe er endlich einen schweren Koffer absetzen können, den er stundenlang mit sich herumgeschleppt hatte.
Aber warum?, fragte er sich. Wieso gibt es dieses Portal nur zu gewissen Zeiten?
Darwen sah aus dem Fenster zu den Lichtern der Stadt und musste unwillkürlich an Mr. Peregrines Geschäft mit der seltsamen Uhr denken, die nur Sonnenaufgang und Sonnenuntergang anzeigte.
Der Spiegel verändert sich nach Einbruch der Nacht, dachte er. Zwar verstand er nicht, wieso, aber er war sich sicher, dass es stimmte.
Schnell schlüpfte er in seinen Schlafanzug und schloss den Schrank. Er rief gerade nach seiner Tante, als er merkte, dass das kleine, gestickte Wappen von Manchester United nicht mehr in der Jackentasche steckte. Er musste es im Wald verloren haben. Nun, er würde gleich danach suchen können.
Nachdem seine Tante ihm die Bettdecke auf ihre typisch übertrieben fürsorgliche Art zurechtgezupft hatte, wartete Darwen, bis aus dem Wohnzimmer der Fernseher zu hören war. Dann kletterte er leise aus dem Bett, zog sich Socken und Turnschuhe an und öffnete die Schranktür. Zwar tauchte für einen Moment die Erinnerung an den seltsamen Schatten zwischen den Bäumen auf, aber die schob er weg. Er wollte Motte treffen. Er wollte durch den geheimen Wald spazieren. Es war ein guter Ort. Selbst, wenn der Schatten tatsächlich dagewesen und nicht nur ein Produkt seiner Fantasie gewesen war, gab es keinen Grund zu der Annahme, dass er ihm etwas hätte tun wollen. Jedenfalls nicht direkt …
Darwen stemmte sich am Spiegelrahmen hoch, der sein Gewicht ohne Mühe trug, obwohl er doch mit nur einem einzigen Nagel an der Schranktür befestigt war. Dann schob er sich hindurch.
Es war ebenso wundervoll wie am Vorabend, vielleicht sogar noch besser, weil er nicht so überrascht war. Dieses Mal musste er nicht erst den Schock des Unglaublichen überwinden, sondern er konnte alles sofort genießen, alle Eindrücke aufsaugen …
Er wanderte eine Weile um den Springbrunnen herum und suchte den Boden nach dem verlorenen Aufnäher ab, dann legte er sich ins Gras und sah zum sternenübersäten Himmel empor. Es dauerte keine Minute, da erschien ein kleines, vertrautes, grünliches Licht über ihm in der Luft.
»Hallo, Motte«, sagte er und stand auf. »Du hast nicht zufällig ein kleines Wappen aus Rot und Gold gesehen? Ich glaube, ich habe es das letzte Mal verloren …«
»Du solltest nicht bleiben, Darwen«, sagte die Talfee, und ihre mechanischen Flügel surrten.
»Wieso nicht?«, fragte Darwen. »Mir gefällt es hier.«
»Du bist hier nicht sicher. Es sind gefährliche Wesen unterwegs.«
»Wie diese – wie nennt ihr sie noch? Flitterfalken? Vor denen habe ich keine Angst.«
»Es gibt mächtigere Wesen als die Flitterfalken, Darwen Arkwright. Mächtiger und schrecklicher.«
»Wie zum Beispiel?«, fragte Darwen, der ihre Warnung nicht wirklich ernst nahm. Die Talfee war so klein, dass er sich ihr gegenüber groß und stark fühlte.
»Es gibt Knatscher und Schrubbler und Bummler«, zählte Motte auf, »gar nicht zu reden von den Hobstrellen oder dem Heimtückischen Bleck.«
»Aber seit wann denn?«, fragte Darwen verwirrt.
»Manche sagen, dass hier, in diesem Wald spät in der letzten Nacht ein Schattum gesehen wurde«, sagte Motte. »Normalerweise ist der Wald sicher, aber in letzter Zeit …«
»Was ist denn ein Schattum?«, fragte Darwen und tat so, als sei er lediglich neugierig, aber er beobachtete die Talfee ganz genau.
Motte wirkte gehetzt.
»Ich würde lieber nicht davon sprechen«, flüsterte sie.
»Also, mir gefällt es hier immer noch, Knatscher und Schrubbler und Schattum hin oder her«, sagte Darwen fest entschlossen. »Und wenn ich einen sehe und er mich auch nur schief anguckt, dann hau ich ihm eins auf die Nase. Mir gefällt es hier, und ich bleibe.« Und um das zu bekräftigen, rief er laut in den dunklen Wald: » ICH BLEIBE, SO LANGE ES MIR GEFÄLLT! «
Die winzigen Augen der Talfee weiteten sich, und obwohl sie nichts sagte, hatte Darwen das Gefühl, sie sei ziemlich beeindruckt. Daher beschloss er, noch ein Stückchen weiter vorzupreschen.
»Ich will eines von diesen Janus-Toren sehen, von denen du mir erzählt hast«, sagte er. »Die dort oben auf dem Hügel. Ich möchte sehen, wohin sie führen.«
»Du darfst nicht hindurchgehen«,
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