Mr Pink Floyd
Flur über die Schwelle einer metaphysischen Tür schreitet und eine andere Welt betritt, eine sehr psychedelische Welt, in der unser Doppelgänger auf einmal eine Apfelsine, eine Pflaume und eine Streichholzschachtel in der Hand hält, also die gleichen Dinge, die Syd in meiner Gegenwart stundenlang ununterbrochen während seines ersten wirklichen psychedelischen Trips in der Hand hielt, also eindeutiger … Da Roger zu jener Zeit nicht mehr dabei war, gehen wir Dave auf die Nerven. »Ihr meint, das sei Syd? Na gut, dann ist es eben Syd, zufrieden?« Das mussten wir uns nicht gefallen lassen, nicht von ihm, weshalb wir zu Rick gehen, doch der kramt wieder die alte Geschichte heraus, dass erst Shine on da war und dann Syds Zuschreibung von außen, die inzwischen so verbreitet war, dass man sie mit völligem Recht in einem solchen Film verbraten durfte. Genervt bis zum Gehtnichtmehr, klopfen wir bei Nick an die Tür, aber der Schlagzeuger haut in die gleiche Kerbe und schickt uns zu Storm, der den Film gedreht habe, sollen wir doch ihn belästigen. Aber jetzt aufgeben, wir, die Freunde der allerersten Stunde? Prompt schlagen wir bei Storm auf, der uns offenbart, nie etwas getan zu haben, ohne es vorher mit ihnen abgestimmt zu haben. Mit ihnen! Wie dreist, einfach zu verschweigen, was so offensichtlich ist, nämlich dass dieses Album einzig und allein auf dem Nährboden einer beispiellosen Liebe wachsen
konnte, wozu also diese ständigen Rückzieher, warum darauf bestehen, dass man in dem Moment, wo es aufs Allerdeutlichste um ungeteilte Anerkennung geht, nicht Syds, sondern die eigene Abwesenheit meint? Kann sich ein Mensch wirklich so leer fühlen und gleichzeitig so schöne Songs schreiben? Und was soll schon »abwesend« heißen, abwesend von sich selbst oder genau andersherum, so in sich selbst versunken sein, dass man für die Welt abwesend ist? Oder für Syd? Aber kann man für jemanden, der abwesend ist, abwesend sein?
2001, als Dave und Roger über ihre Anthologie verhandelten, wurde alles wieder zurechtgerückt, denn entgegen der chronologischen Reihenfolge beginnt das Doppelalbum mit Astronomy domine und endet mit Bike , also denselben Songs, mit denen PIPER anfing und aufhörte … Davor schien es lange Zeit so, als hätten sie Angst gehabt… aber wovor?
Vor Syd?
ACHTE ZEUGENAUSSAGE
Julian Lennon
Ich heiße Julian Lennon und werde auf ewig der Sohn von John sein. Wenn man eine bestimmte Sorte Väter hat, ist es schon viel, einfach nur Sohn zu sein …
Kleinliche Journalisten haben geschrieben, ich hätte auf seiner Beerdigung deswegen nicht geweint, weil ich ihn nie geliebt hätte. In Wahrheit habe ich nicht geweint, weil Mark Chapman niemanden umgebracht hat: Mein Vater ist genau in dem Augenblick gestorben, als er der Japanerin begegnete … Aber darum hat man mich ja gar nicht bemüht, sondern wegen der Zeichnung. Zu der gibt es allerdings nicht viel zu sagen. Mein Vater hat Lucy in the sky with diamonds 1967 geschrieben: Jedes Kind weiß, dass die einzige Bedeutung des Titels in den Initialen der drei Substantive liegt, die die Abkürzung LSD bilden, aber beim Prozess brachte der große John nicht den Mut auf, das vor dem Richter zuzugeben, und kam mit dieser Geschichte von der Zeichnung. Der Titel sei ihm aufgrund einer Zeichnung von mir aus dem Kindergarten eingefallen, ein mit Buntstiften gemaltes Bild von einem Mädchen, das durch einen Himmel voller Sterne spaziert. Ich hätte ihm erklärt, dass die Sterne Diamanten und das Mädchen eine meiner Klassenkameradinnen namens Lucy Moore seien. Da ich natürlich zu klein war, um vom Richter verhört zu werden, reichte seine Aussage. Schade, dass man das Bild nie gefunden hat, wie auch: Es hat nie existiert.
NEUNTE ZEUGENAUSSAGE
Peter Dockley
Sollte einer von euch am 14. April 1969 beim Konzert in der Royal Festival Hall gewesen sein, wird er sich erinnern, dass irgendwann plötzlich ein Meeresungeheuer auf der Bühne aufgetaucht ist, bestückt mit riesigen Genitalien, aus denen gelbliches Wasser auf die entsetzt-verzückten Zuschauer in den ersten Reihen spritzte. Das war ich, der Spaßvogel und alte Kumpel von der Technischen Hochschule, allzeit bereit, für sie den Hofnarren zu spielen.
Zwei Jahre später, am 15. Mai 1971, geschah dann das Unglück in der Crystal Palace Bowl. Einige Tage vor dem Konzert erzählt mir Roger am Telefon, dass sich vor der Bühne ein kleiner Teich befindet und dass ich etwas bauen soll, das man darin verstecken
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