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Mr Pink Floyd

Mr Pink Floyd

Titel: Mr Pink Floyd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Mari
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beschließe, noch einmal bei null anzufangen: Ich lasse alles im Studio noch einmal rekonstruieren, bestelle zigtausend Komparsen ein, zwinge Pink Floyd , jedes Stück noch mal einzuspielen und sogar ein neues zu komponieren, der kühnste Eingriff war jedoch, Bob Geldof für die Hauptrolle auszusuchen. Alle waren so felsenfest davon ausgegangen, dass Pink von Waters gespielt werden würde, dass mir, als ich meinen Entschluss verkündete, niemand glaubte. Ihr hättet mal Waters’ Gesicht sehen müssen! Glaubt mir, wenige Leute auf der Welt jagen einem eine solche Angst ein, wenn sie wütend werden, wie Waters, aber trotzdem überwand ich mich. Entweder so oder gar kein Film. Und da schon einige Millionen Pfund geflossen waren, machten wir es auf meine Art. Gilmour wird sich heimlich totgelacht haben!
    Aber nun zur Sache. Die Geschichte von Pink ist die Geschichte von einem Rockstar, der während einer Tournee einen Nervenzusammenbruch hat, ausgelöst, von diversen Missbräuchen abgesehen, durch eine Ehekrise: Wenige Jahre zuvor hatte sich Roger von seiner ersten Frau scheiden lassen. Ein viel traumatischeres Erlebnis ist allerdings der Verlust seines Vaters im
Krieg: Alle wissen, mit welcher Besessenheit Waters immer wieder davon spricht. Zu den negativsten Figuren im Film zählen die Lehrer und Lehrerinnen: Der Kreuzzug gegen den Despotismus in der Schule war ein altes Steckenpferd von Waters. Bis hierhin also keinen Zweifel, dass es sich um eine autobiografische Story handelt. Selbst als sich Pink in einen Tyrannen verwandelt, als würde er aus seinem Leid Energie ziehen, und er Legionen von Fanatikern im Gefolge hat, denkt man sofort an Waters’ Rolle als Bandleader von Pink Floyd . Aber würde Waters’ intellektuelles Ehrgefühl eine Selbstdarstellung als Nazi zulassen? Noch dazu in einem Film, der eine Hymne an die Freiheit sein soll? Pink als Militarist in einem Antikriegsfilm, heißt das vielleicht, dass die Opfer von gestern die Henker von morgen sind? Ich erinnere mich, dass ich die Gleichsetzung von Soldaten und Lehrern damals für absolut richtig hielt. Immerhin werden uns die ersten Ziegelsteine für die Mauer, hinter die uns die Gesellschaft nach und nach sperrt, bereits angereicht, wenn wir noch klein sind: Der Diktator Pink schließt jedoch nicht die anderen ein, sondern sich selbst! Das musste ich erfahren, als ich in einem Kinolexikon den Eintrag zu meinem Film las, dessen Verfasser zufolge The Wall die Geschichte eines in die Krise geratenen Stars ist, der eine Schutzmauer um sich aufbaut… Umgehend sah ich mir den Film noch einmal an: Gegen Ende lässt sich Pink, mittlerweile halb Fötus, halb Puppe, freiwillig von einer Mauer umzingeln, doch ein grauenhafter, von Scarfe gezeichneter Richter verurteilt ihn dazu, das zu erleiden, wovor er sich in seinem tiefsten Innern am meisten fürchtet: nach Abriss der Mauer seinesgleichen ausgeliefert zu sein … Habe ich diesen Film wirklich in dem Glauben gedreht, einen anderen zu machen? Und wenn so sein sollte, hat Waters mich dann aus der Ferne mit hinterlistiger Mäeutik gelenkt? Aber wozu, ausgerechnet er, der Anti-Militarist war, Anti-Schule, Anti-Mauer, Anti-Alles? Und wer ist »seinesgleichen« sonst als die anderen Musiker, die anderen Pink Floyd? Während ich mir diese Fragen
stellte, bekam ich nach und nach eine vollkommen andere Sicht auf die Dinge: Und wenn Pink nicht Waters, sondern Barrett ist? Wenn er es schon von Anfang an gewesen ist, seit wir mit Waters’ Projekt begonnen hatten? Drogensüchtig, willenlos, vor dem Fernseher in einem Sessel hängend, kein Ohr für die Ratschläge aus dem Team … Syd! Es passte so gut wie alles, nur … warum sollte Barrett zu einem Tyrannen werden? Was für eine Vorstellung? Wollte Waters damit vielleicht andeuten, dass ihr Kumpel sie nach wie vor beeinflusste, auch nachdem er verrückt geworden war? Ist es das, was The Wall erzählt, die Macht Barretts über Pink Floyd , so etwas wie Unterwerfung? Die Idee mit der Surrogate Band brachte das am deutlichsten zum Ausdruck, vier Golems von einem Schamanen gelenkt… deswegen ließ mich Waters einfach machen … Ich glaubte, ich sei der Demiurg, stattdessen war er es … der wiederum Barrett dafür hielt… Ist es das, ist es so gelaufen, ich bitte euch, antwortet mir, ist es das?

ZEHNTE ZEUGENAUSSAGE
    Bob Geldof

    Fällt der Name Bob Geldof, denkt jeder gleich an den lieben, guten Menschen, der Mitleid mit all den hungrigen, kranken und misshandelten

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