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Mr Pink Floyd

Mr Pink Floyd

Titel: Mr Pink Floyd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Mari
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entscheiden, vor allem wegen der Anfangssequenz von Shine on you crazy diamond . Mit dieser Sequenz ist ein schreckliches Ereignis verbunden. 5. Juni 1975, Abbey Road Studios. Wir nehmen gerade die endgültige Version des Stücks auf, als hinter der Fensterfront auf einmal ein merkwürdiger Typ auftaucht: dick, Glatze, um die vierzig, eingewickelt in einen übergroßen Anorak, unter dem eine Kellnerschürze herausguckt. Einer von der Putzkolonne, denke ich gerade für mich, als mir auffällt, dass ihn auch das Personal von der EMI neugierig beobachtet. Da fragen wir unsere Techniker: Sie hatten ihn noch nie gesehen, einer hält es für besser, den Sicherheitsdienst zu rufen. Ich wusste zwar aus Erfahrung, wie gefährlich Fans sein konnten, aber der hatte so gar nichts von einem Fan: Er sah eher wie ein Gegenstand aus, von Bühnenbildnern liegen gelassen.
    Roger wird von uns allen am nervösesten und befiehlt mit herrischer Geste, die Aufnahmen zu unterbrechen.
    »Hey, Rog«, sagt darauf Nick, »da ist Besuch für dich, von der dunklen Seite des Mondes.«
    Er sah tatsächlich so aus, als wäre er soeben einem psychiatrischen Krankenhaus entflohen, mit diesem superschweren Anorak im Juni und den abrasierten Augenbrauen… Roger will Nick gerade an den Hals springen, als er plötzlich innehält:
Alle halten wir inne, denn dieser Typ, dessen Arme wie von einer Marionette herunterbaumeln, taumelte mit einem Mal herum und schwankte langsam von rechts nach links. Ich weiß nicht, warum, aber die Situation wurde immer unerträglicher; als würde jeden Augenblick alles in die Luft gehen. Rick verlässt den Raum, und wir beobachten, wie er sich mit dem Mann auf der anderen Seite unterhält. Als er wieder hereinkommt, sieht er aus wie ein Gespenst. »Das«, eröffnet er uns, »ist Syd.«
    Syd! Ausgerechnet wenn wir dieses Stück aufnehmen! Kein Haar mehr auf dem Kopf und mindestens vierzig Kilo schwerer, er, der immer der Dünnste von uns allen war! Syd, seine traumhaften Locken … Roger und ich hatten ihn seit fünf Jahren nicht mehr gesehen, die anderen seit sieben, aber ihn nicht wiederzuerkennen! Was danach passierte, weiß ich nicht mehr, uns allen kamen die Tränen, und auf jeden Fall haben wir ihn hereingebeten und ihm den ersten Teil von Shine on vorgespielt. Es war brütend heiß, aber anstatt seinen Anorak auszuziehen, als Roger ihn mit einer Geste dazu aufforderte, zog er ihn mit dem Blick eines gehetzten Tieres nur noch fester um sich. Ich hörte der Musik zu und sah ihn dabei an: Unvorstellbar, dass dieses leblose Wesen und der Diamant aus dem Text dieselbe Person sein sollten, das waren sie auch nicht. Was auch immer aus ihm geworden war, Syd war das jedenfalls nicht. Unser Syd hätte die Finger zur Luftgitarre bewegt und das Stück begleitet, während der hier wie ein vom Wüstenwind gepeitschter Kaktus weiter hin und her schwankte. Und trotzdem gab es am Ende einen Moment, ganz kurz, wo ich dachte, der alte Syd sei zurückgekehrt: Das Stück war fast zu Ende, als Roger ihn nach seiner Meinung fragte, worauf er mit einer Spur von einem Lächeln auf den Lippen genau Folgendes erwiderte: »Nun, Jungs, wenn ihr es wirklich wissen wollt, auf mich wirkt es etwas veraltet.« Etwas veraltet! Zu uns! Ich war dermaßen froh über diese Antwort, dass ich noch heute, wenn einer über Shine on in
Entzücken gerät, nicht anders kann, als mit Syds Worten darauf zu reagieren … Kaputt vom Acid, aber immer noch geistreicher als wir alle zusammen, Syd, o Syd!

ELFTE KLAGE
    Sid Barrett

    Sofort, damit erst gar kein Missverständnis aufkommt, schaut sofort auf das i . Das ist ein i , kein y . Sid, die Abkürzung von Sidney. In meiner kleinen Welt bin ich durchaus eine berühmte Persönlichkeit gewesen: Aber jetzt, wo er mich verschlungen hat, bin ich nur noch ein Nichts. Werft mal einen Blick in die endlose Bibliografie über Pink Floyd: Von mir ist da fast nie die Rede, höchstens ein oder zwei Zeilen. Ich war ein Schlagzeuger aus Cambridge und habe jeden Freitagabend im Riverside Jazz Club gespielt; man nannte mich »Sid the Beat«. In den frühen Sechzigern war ich Anfang vierzig: ein alter Knacker für den jungen Hänfling, der immer wieder vorbeikam. Eines verfluchten Abends fragt ihn einer der Anwesenden nach seinem Namen, und er, ganz schüchtern: »Roger Barrett.« Ein zweiter Barrett! Warum auch immer, aber die Sache provoziert großes Gelächter, und jedes Mal gibt ihm seitdem irgendwer ein Bier aus oder nennt ihn Sid.

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