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Mr Pink Floyd

Mr Pink Floyd

Titel: Mr Pink Floyd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Mari
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und die behandelten mich wie einen dummen Pfaffen, echt nicht zu fassen … Obendrein waren meine Kumpels immer für ihren Aplomb bekannt gewesen, stellt euch vor, was ich durchgemacht hätte, wenn ich mit den Who gespielt hätte, mit diesen bekloppten Irren von Townshend und Moon, die wie Affen auf der Bühne herumgesprungen sind und Gitarren und Schlagzeuge zertrümmert haben… Obwohl sie überall als kaltherzig galten, war ich für Dave und Roger immer der Unterkühlte, also bitte, da kann es doch verflucht noch mal nicht so schwer sein, zu kapieren, dass ich Lust auf Kontakt mit dem Publikum hatte, bei so viel Kälte… Ich war ziemlich froh, als wir nach unserem Erfolg mit DARK SIDE nach und nach auf der ganzen Welt die Stadien füllten, das fand der Konservatoriumsmusiker nämlich echt gut, Roger war es, der das nicht mochte und in seinen ganz persönlichen Krieg gegen das Publikum zog … Die Tour mit ANIMALS war bezeichnend dafür: Roger konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass achtzigtausend Menschen Radau machten, anstatt aufmerksam dem Konzert zu folgen, er ertrug kein Geschrei, keine Chöre, kein lautes Stimmenwirrwarr, keine Hände, die im Rhythmus klatschten, keine Nachfrage
nach Songs, die nicht auf dem Programm standen, er ertrug einfach nichts … Eines Abends kurz vorm Auftritt, während wir hinter den Kulissen hervorlugten, sagte er zu uns: »Seht ihr diesen Typen da, der sich gerade einen Joint dreht? Meint ihr, der würde sich irgendetwas aus unserer Musik machen?« Und auch während er spielte, sah er immer wie ein Lehrer aus, der in seiner Klasse nach unaufmerksamen Schülern Ausschau hält, ausgerechnet er, der We don’t need no education schreiben sollte… Irgendwann wollte er immer mehr Leute vom Ordnungsdienst haben: Siebzig Muskelprotze waren nicht mehr genug, achtzig mussten her, hundert, hundertfünfzig … 1977 in Montreal müssen ihm wohl die Nerven durchgegangen sein, als es diesem einen durchgeknallten Typen gelungen war, die Absperrung zu durchbrechen und auf die Bühne zu klettern: Er konnte zwar gestoppt werden, aber als Roger ihn so nah an sich herankommen sah, hat er ziemlich kräftig zugetreten und dann den Rest des Sets völlig unkonzentriert weitergespielt, und mit einem Hass in den Augen, den ich nie vergessen werde. Anschließend gestand er uns, dass er sich auf der Bühne wohler fühle, wenn er sich vorstelle, Zigtausende Handgranaten ins Publikum zu werfen: Aber da unser Lyriker ja immer politisch korrekt war, hat er sich eine Rechtfertigung suchen müssen, und die fand er in The Wall , wo die Zuschauer eine Horde Nazis sind. Genau das ist der tragende Gedanke des Films, dass alle Fans an sich auch Nazis sind: »Fan« kommt von »fanatisch«, diesen etymologischen Faden nahm Roger auf und strickte gleich einen ganzen Arazzo daraus … Nun, die Mauer diente hauptsächlich dazu, uns, die armen Pink Floyd , vor dieser kriminellen Bande zu beschützen: Als Roger uns erläuterte, dass bei den Livekonzerten, die ausschließlich in Theaterarenen stattfinden würden, eine echte Mauer errichtet werde, die ab der Hälfte der Aufführung bis vorm Einsturz am Ende die ganze Bühne verdecken würde, begriff ich, dass es nun zu Ende ging. So viel Zeit und Aufwand hatte es mich gekostet, aus meinem
Kokon hervorzukriechen, und ausgerechnet jetzt, wo ich endlich in den Genuss kam, mit den Zuschauern eins zu werden, hieß es, ich müsse hinter einer Mauer spielen! Also ehrlich, jetzt war echt genug. Aber das Dramatische an der Sache war, dass sich Roger der Widersprüchlichkeit seiner Idee vollkommen bewusst war: Er wollte uns tatsächlich während der Veranstaltung ziemlich lange durch diese grauenhafte Surrogate Band ersetzen, diese vier Zombies mit unseren Totenmasken, einerseits beschützte uns die Mauer also vor Gefahren, andererseits entfremdete sie uns … Dem, was Alan Parker gesagt hat, kann ich nur zustimmen: Die Geschichte konnte alles und nichts bedeuten … Pink zum Beispiel, er entfremdet sich wegen der Drogen, aber handelt es sich um Drogen im buchstäblichen Sinne oder um den Erfolg? Und warum ganz allgemein von Wahnsinn sprechen, wenn Text und Aufführung Typen des Wahnsinns inszenieren, die man nicht einfach vereinheitlichen kann? Am Anfang ist Pink benebelt-verrückt, weil unter Drogen; dann ist er delirierend-verrückt, weil er mit seinen Nazi-Zuschauern eins wird; dann verzweifelt-verrückt, weil ihm, nachdem er dem Erfolg entsagt, nichts mehr bleibt, nur noch

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