Mr. Sex
Jahre alt!
Glücklicherweise wurde auch die Rezeptur für das Eis nie verändert. Und das war auch gut so. Im „Dolomiti“ gibt es nämlich das beste Vanilleeis auf der ganzen Welt!
Als wir gegen 19.00 Uhr mit meinem Mazda wieder zu Hause ankamen und das Auto auf dem Parkplatz vor dem Haus abgestellt hatten, begutachteten wir mein neues Auto noch einmal von allen Seiten.
Kema l schaute auch in den Motorraum. Was die Männer daran allerdings immer interessant finden, weiß ich nicht. Ich glaube ja auch, dass sie alle überhaupt keine Ahnung haben von dem, was sie da sehen, aber ein innerer Zwang treibt sie dazu, sich jeden Motor anzuschauen. Ich schätze, sie fühlen sich dabei wichtig und männlich.
Wir wollten gerade ins Haus gehen, als Mr. Sex mit Inlinern um die Ecke bog. Er hatte ein schwarzes Muskelshirt an und seine Beine steckten in einer engen Radlerhose. Mein Herz setzte aus, doch meine Freude dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde. Hinter ihm fuhr ein langbeiniges, braungebranntes, mit engem Trägershirt und Hotpants bewaffnetes – und die konnte sich solche Hosen wirklich leisten – Bondgirl-ähnliches Wesen um die Ecke. Ihr schwarzes, glattes, langes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden und die schicke Sonnenbrille ins Haar geschoben. Mit flotten, lockeren Bewegungen steuerten die beiden auf die Haustür zu. Ich wollte schnell nach drinnen flüchten, aber Kemal – er dachte bestimmt irgendeine Kriegerin aus einem seiner Computerspiele wäre zu ihm in die Realität gekehrt, um ihn in ihre Welt zu entführen – versperrte mir den Weg.
„Hi“, rief Mr. Sex uns zu und winkte.
„Hi“, riefen wir einstimmig zurück und starrten die beiden an.
Mr. Sex und das Bondgirl bremsten geschickt ab und standen sportlich, lässig vor uns.
Ich bin ja nicht gerade klein, aber aufgrund der Inliner, die die beiden anhatten, kam ich mir winzig vor, als ich zu ihnen hinauf blickte.
„Wem gehört denn das tolle Auto?“ fragte Mr. Sex.
„Das ist meiner. Ich hab ihn heute bekommen“, antwortete ich stolz und versuchte meine vorübergehende Zwergenhaftigkeit zu verdrängen und ihm nicht auf die engen Hosen zu stieren. War seine Hose gut ausgefüllt? Er könnte sich ja mal umdrehen, so dass ich ihn auch von hinten begutachten könnte.
Ich nahm all meinen Mut zusammen, da ich nicht wieder wie ein dummer, stummer Fisch vor ihm stehen wollte und war erleichtert, dass ich frisch gewaschene Haare hatte:
„Ich heiße übrigens Christina. Aber alle nennen mich Chris.“
Ich reichte Mr. Sex die Hand und wollte ein bisschen lustig sein, als ich sagte:
„Kemal hat gesagt, du würdest Wigald heißen. Aber so einen bescheuerten Namen hat ja kein Mensch!“
Ich lachte.
Als einzige.
N icht lange.
Das Gesicht von Mr. Sex verzog sich zu einer merkwürdigen Grimasse. Für ein paar Sekunden herrschte Stille. Selbst die Vögel unterbrachen ihr Abendlied.
„Ich kann auch nichts dafür, aber meine Eltern haben mich tatsächlich so getauft.“ Wigald hob bedauerlich die Hände in die Luft.
Erschrocken blickte ich in Kemals und dann wieder in Wigalds Gesicht. Das durfte doch echt nicht wahr sein. Das war kein Fettnäpfchen, das war ein Riesen-Fettnapf, in den ich da gerade getreten war.
Ich spürte eine ansteigende Wärme in meinem Gesicht und wusste, dass ich binnen zwei Sekunden aussehen würde, wie ein Feuermelder.
Er hieß tatsächlich Wigald . Was sollte ich denn jetzt machen? Kemal versuchte die Situation zu retten.
„Meine liebe Chris“, sagte er zu mir gewandt, „nicht jeder versteht deinen Humor.“
Und an Wigald gewandt erklärte er, dass es i n unserer Clique ein alter Gag sei, „Neuankömmlinge“ auf diese Art zu begrüßen.
„Genau“, pflichtete ich Kemal bei und merkte selbst, wie idiotisch das war. Eine Rettung gab es aus dieser Situation einfach nicht mehr.
Betreten gingen Kemal und ich in unsere Wohnung.
Wir standen beide im Wohnzimmer.
„Mensch, Chris“, wetterte Kemal – so kannte ich ihn gar nicht – „hast du kaputt gemacht ganze Situation!“
Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
„Weißt Du, steht d-d-da vor mir schärfste Braut der g-g-ganse Stadt und, und, und…“
Er winkte ab und ging in die Küche. Wenn er aufgeregt war, stotterte er immer ein bisschen, aber es war jetzt wohl der falsche Moment, um zu lachen.
„Kemal, jetzt warte doch mal. Es tut mir doch selbst furchtbar Leid“, jammerte ich und dackelte ihm
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