Mr. Sex
sagte ich:
„Das war der Blick von dem ich dir erzählt habe. Der Blick nach der Kirche. Der Bruchteil einer Sekunde, in welchem der Zweifel über ihre Entscheidung Oberhand gewann und sogleich wieder verdrängt wurde.“
Kemal sagte:
„Ich gehe zu Josh und bringe ihm ein Bier. Vielleicht will er reden und schimpfen. Wenn er sein Ruhe haben will, ich komme gleich wieder zu euch. Wartet kurz!“
Und schon war er verschwunden.
Herr Öztürk hatte seine Sachen zusammen gepackt und verabschiedete sich von uns. Nun waren wir alleine mit dem gehörnten Bräutigam und den entsetzten Brauteltern. Ich fragte, ob ich etwas für sie tun könnte, aber alle vier verneinten. Ich sah, wie Kemal den Arm um Josh legte und gemeinsam mit ihm in einen Nebenraum ging.
Wigald und ich gingen nach Draußen in die sternklare Nacht. Die angenehm kühle Luft machte den Kopf klar und schenkte uns einen kleinen Moment der Ruhe und der Erholung.
„Wo könnten sie sein?“ fragte ich Wigald.
„Ich weiß nicht. Vielleicht im hinteren Bereich des Parks. Dort, wo der große Springbrunnen ist?“
Er deutete nach rechts.
Wigald und ich liefen Hand in Hand – es hätte so romantisch sein können – durch den Park. Der Mond ließ bizarre Schatten auf dem Boden tanzen, der Kies knirschte unter unseren Füßen und ein Käuzchen flog über unsere Köpfe hinweg.
„Lisa?“ rief ich leise, „bist du hier?“
Es kam keine Antwort.
Ich fühlte, wie Wigald meine Hand näher zu sich heranzog. Als er stehen blieb, schaute ich zu ihm hoch. Wir sagten kein Wort. Wir schauten uns nur an. Wigald nahm auch meine andere Hand und zog mich ganz nahe an sich. Er nahm meine n Kopf in seine Hände und fing an, meine Haare, meine Stirn, meine Wangen und dann meinen Hals zu küssen. Ich war elektrisiert und klammerte mich ganz fest an ihn. Mein ganzer Körper verlangte nach ihm, ich wollte ihn spüren mit jeder Faser. Wir küssten uns, zuerst sanft, dann immer leidenschaftlicher.
„Ich will dich“, flüsterte Wigald mir zärtlich ins Ohr, „ seit ich dich das erste Mal gesehen habe. Ich träume von nichts anderem mehr!“
„Mir geht es genauso“, sagte ich mit erregter Stimme, als ein leises „Chris? Chris bist du hier?“ ertönte.
Wir schauten uns resigniert an und ich rief zurück:
„Ja, ich bin hier. Lisa, wo bist du?“
„Hier, ich bin hier. Am kleinen Brunnen.“
Das war nur ein paar Schritte weit entfernt, hinter einer kleinen Biegung des Kiesweges. Wigald und ich folgten der Stimme.
Lisa und Angie saßen total verheult auf einer Parkbank. Der Mond lies ihre Gesichter gespenstisch bleich erscheinen.
Ich nahm Lisa in die Arme. Sie schluchzte wie ein Kind und sagte mit gurgelnder Stimme:
„Scheiße, Chris. Was hab ich nur getan?“
Sie schaute mich an. Was sollte ich darauf sagen?
Du hast an deiner Hochzeit mit einer Frau vor der ganzen Hochzeitsgesellschaft rumgeknutscht. Hast deinen frisch angetrauten Ehemann total blamiert. Deine Eltern schämen sich in Grund und Boden…
So antwortete ich gar nicht und drückte sie einfach nur ganz fest an mich.
Wigald und Angelina gingen ein paar Schritte weiter und ich hörte, wie Wigald schimpfte. Leise. Er war stinksauer.
„Mensch, Lisa. Was hast du dir nur dabei gedacht? Wie lange geht das schon?“ fragte ich.
„Seit wir uns das erste Mal auf eurer Grillparty gesehen haben“, gestand Lisa. „Zuerst dachte ich, ich finde Angelina einfach nur nett. Aber bald habe ich gemerkt, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte.“
Ihre Augen blickten traurig in das Dunkel des Brunnens. Eine nackte steinerne Meerjungfrau schüttete am Tag Wasser aus einem Krug in ihn hinein. Jetzt war alles still. Das Wasser lag schwarz und hoffnungslos vor uns. Trotz allen Schmerzes funkelten Lisas Augen beim Gedanken an Angelina.
„Ich wollte das doch nicht. Der arme Josh. Er tut mir so leid. Was hab ich ihm da nur angetan?“
„Eine Glanzleistung war das jedenfalls nicht!“ entgegnete ich und wir mussten für einen kurzen Moment grinsen, ehe uns die Tragweite des Geschehenen wieder bewusst wurde.
„Ich fühle mich so zu ihr hingezogen. Sie ist so wunderschön und intelligent und lieb und… Und dann ist es irgendwie passiert. Vorgestern. Da haben wir uns das erste Mal geküsst.“
Lisa schaute verschämt zu mir.
„Findest du mich jetzt eklig?“ fragte sie ängstlich.
„Nein.“
„Ich habe mich noch nie so gefühlt. Verstehst du das? Es war, als wären wir eins. Als wären
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