Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
Vom Netzwerk:
Roosevelt trank nicht. Er saß in der Ecke, starrte seine Finger an und zeichnete seine Gesichtszüge nach. Connelly ging leicht wankend zu ihm hin.
    »Was machst du, Rosie?«, fragte er.
    Roosevelt schaute zu ihm hoch. »Ein grüner Tag. Ein Wassertag.«
    »Was?«
    »Was würdest du für einen Wassertag geben?«
    »Einen Wassertag?«
    »Ja. Für dein Zuhause.«
    »Mein Zuhause. Scheiße. Ich weiß nicht. Viel. Alles.«
    »Alles, was du hast?«
    »Ja.«
    »Was ist mit allem, was ein anderer hat?«
    Connelly fiel keine Antwort ein.
    Roosevelt nickte. »Ja«, sagte er. »Ja.«
    Als die Nacht hereinbrach, waren sie sturzbetrunken und aufgekratzt. Die Gemeindemitglieder lachten, aber es klang gefühllos und angespannt. Schließlich führten sie Connelly und die anderen ins Heulager, wo sie schlafen sollten, und die warfen sich hinein und schnarchten bald.
    Mitten in der Nacht erwachte Connelly. Der Alkohol ließ seinen Kopf noch immer pochen, aber sein Magen wollte keine Ruhe geben. Es handelte sich nicht um Übelkeit, sondern um irgendeine Unruhe, die er nicht näher benennen konnte. Es war wieder sein Instinkt. Das seltsame, nagende Gefühl, dass etwas nicht stimmte.
    Er stand auf und trat hinaus. Der Mond erklomm gerade die Gipfel und sah aus wie eine Perle auf einem immens großen Podest. Er schaute zu den Häusern der Stadt hinüber. Sie waren tot und still, machten fast schon einen verlassenen Eindruck. Hier und da glühte ein Fenster, ein Tropfen Honig auf Kohle. Er rieb sich den Magen und ging auf einen alten Baum zu, um zu pinkeln. Dort fiel sein Blick auf einen Hain mit den höchsten Bäumen, die er je gesehen hatte, am Fuß der Berge, keine Viertelmeile entfernt. Er musterte sie und schaute dann zurück zur Stadt. Irgendwie schien es, als wären beide Orte verbunden, als wären Steine und Felsen und Büsche künstlich aneinandergereiht; auch die sanfte Steigung der Landschaft baute sich in einer Linie auf, als stellte ihre ganze Anordnung einen Pfad dar, der von einem Ort zum nächsten führte.
    Connelly knöpfte die Hose wieder zu und ging zu dem Hain. Die Bäume, alles Tannen, waren gewaltig und erreichten Höhen von mindestens hundert Fuß, und jeder von ihnen wies ein so dunkles Grün auf, dass es beinahe schon purpurn erschien. Es mussten mindestens ein Dutzend sein. Er trat in ihre Mitte. Auf einer kleinen Lichtung befanden sich große Steine und Erdhügel. Er blieb genau in der Mitte stehen und schaute sich um. Es gab eine Lücke zwischen den Bäumen, die sich genau zur Bergseite öffnete, und durch sie konnte er das Dach der verlassenen Farm erspähen.
    Er wollte gerade gehen, als ihm an einem der Bäume eine Markierung auffiel. Ein Kreis mit zwei parallelen Pfeilen war in die Rinde geritzt. Connelly strich mit den Fingern darüber, betrachtete die Steine und die kleinen Erdhügel, schaute dann wieder zu dem Farmhaus hinauf. Dann drehte er sich um und musterte eine Weile die Stadt.
    »Was machst du da, Connelly?«
    Er fuhr herum. Roosevelt saß neben einem der Bäume.
    »Rosie?«
    »Du solltest schlafen«, sagte Roosevelt.
    »Du auch.«
    »Ich schlafe doch.«
    »Aber du solltest zurückgehen und in der Scheune schlafen.«
    »Nein. Ich wollte da sein, wo alle anderen schlafen.«
    »Was?«
    Roosevelt gestikulierte in Richtung der Bäume. »Jeder schläft«, sagte er. »Jeder schläft.« Er lächelte und  schaute wieder zu Connelly. »Du solltest auch schlafen. Das wäre besser.«
    »Das werde ich tun«, erwiderte Connelly. »Sobald ich etwas herausgefunden habe. Bleib hier, ja, Rosie? Bleib einfach hier.«
    Connelly eilte zurück zur Scheune, um Pike zu wecken. Er stieß ihn so lange mit dem Fuß, bis der alte Mann die Augen aufriss.
    »Was ist los?«, murmelte er.
    »Da gibt es etwas, das Sie sich ansehen sollten.«
    »Warum? Was denn?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    Pike erhob sich. »Sollen wir Hammond wecken?«
    Ein leises Stöhnen ertönte. »Ich bin schon wach«, ächzte Hammond. Er setzte sich im Heu auf und schmatzte. »Warum trampelst du mitten in der Nacht hier rum, Con?«
    »Ich habe etwas gefunden«, sagte Connelly. »Folgt mir, wenn ihr wollt.« Er dachte nach und fügte hinzu: »Bringt die Waffen mit.«
    Pike und Hammond wechselten einen Blick, taten aber, worum er gebeten hatte.
    »Scheiße, ich habe Kopfschmerzen«, sagte Hammond, als sie aus der Tür stolperten. »Mir brummt der Schädel, als gäbe es kein Morgen. Peachy kriegen wir nicht wach, der schnarcht wie ein ganzes

Weitere Kostenlose Bücher