Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
Vom Netzwerk:
verfolgen uns nicht mehr. Was sie auch immer an Rückgrat hatten, wir haben es ihnen genommen, Schuss für Schuss.«
    »Halten Sie die Klappe«, sagte Connelly.
    »Was?«
    »Halten Sie einfach die Klappe. Wenigstens dieses eine Mal. Ich meine …« Connelly schüttelte den Kopf.
    Pike wandte das ausdruckslose Gesicht dem Wald zu, wartete einen Moment, stand dann auf und ging weiter. Connelly blieb noch eine Sekunde lang, dann folgte er ihm.

SECHSUNDZWANZIG
    Sie stolperten durch die Biegungen und Hohlwege des Berges, kämpften gegen die trockene Kälte an. Pike versuchte, der Spur des grauen Mannes anhand der abgeknickten Blätter und zerbrochenen Zweige zu folgen, aber schließlich gestand er ein, dass er schon längst nicht mehr wusste, wonach er Ausschau halten sollte. Sie hinkten schweigend weiter, bis das Morgenlicht den Himmel weiß färbte.
    »Ich bin durstig«, sagte Connelly.
    »Ich auch.«
    Sie setzten sich an den Rand einer steilen Böschung und leerten ihre Feldflaschen. Connelly warf seine über den Rand und hörte zu, wie sie polternd in die Tiefe stürzte. Er konnte nicht sehen, wo sie landete.
    »Das hätten Sie nicht tun sollen«, sagte Pike.
    »Dort oben wird es kein Wasser geben.«
    »Das können Sie nicht wissen.«
    »Doch, das weiß ich.«
    Pike betrachtete seine Feldflasche, dann warf er sie ebenfalls über den Rand. Sie standen auf, klopften sich den Staub ab und gingen weiter.
    »Wir hätten diese gottverdammten Mistkerle um mehr Essen bitten sollen«, sagte Connelly.
    Pike lachte. Es war ein hässlicher Laut. Connelly war sich nicht sicher, ob er ihn je zuvor hatte lachen hören.
    »Habe ich Ihnen je von meinem Freund erzählt?«, fragte Pike und fröstelte. »Meinem Freund Jonas?«
    »Nein.«
    »Er war mein Freund. In Georgia. Ich war Prediger, er gehörte zu meiner Gemeinde.« Pike schwieg einen langen Augenblick. »Er war ein hübscher Junge. Der hübscheste Junge, den ich je sah. I-ich war damals jung. Zumindest … glaube ich das.«
    Connelly musterte das Terrain und stieg über einen breiten Graben. Pike folgte ihm.
    »Er schnitt sich die Kehle durch. Daran erinnere ich mich. Durchschnitt sie von Ohr zu Ohr, ich habe den Grund dafür nie verstanden. Solche Dinge darf man nie vergessen. Sie zwingen einen dazu weiterzumachen.«
    »I-ich erinnere mich an die Augen meiner Tochter«, sagte Connelly. »Sie hatte die schönsten braunen Augen der Welt. Augen wie … Ahornsirup.« Er blieb stehen. »Das heißt … ich glaube, dass sie braun waren.« Er griff nach seiner Brieftasche, aber die war nicht mehr da. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sie verloren hatte.
    »Was ist mit ihrer Mutter geschehen?«
    »Sie wartet auf mich.«
    »Ach ja. Ich erinnere mich wieder.«
    »Sie wartet auf mich. Ich kehre nach Hause zurück. Sobald das hier erledigt und alles wieder so ist, wie es war, kehre ich nach Hause zurück. So, wie es war.«
    Sie hörten etwas und blieben stehen. Jemand pfiff. Sie folgten dem Laut und entdeckten Roosevelt, der auf einem Stein saß. Er betrachtete den Nebel unterhalb der Klippe und ließ die Beine baumeln wie ein kleiner Junge auf der Kirchenbank. Er hörte sie kommen, schaute auf und strahlte sie an.
    »Hallo, Jungs«, sagte er. »Hallo. Guten Morgen. Ich glaube, es ist Morgen.«
    Connelly und Pike blickten sich an.
    »Wie sind Sie hierhergekommen, Mr. Roosevelt?«, fragte Pike.
    »Ganz einfach. Ging auf geradem Weg hierher. Ein Spaziergang.«
    »Sind Sie sicher, dass Ihnen niemand befohlen hat, sich dorthin zu setzen?«
    »Nein. Mir hat keiner etwas gesagt. Ich dachte bloß, dort oben gibt es bestimmt einen hübschen Sitzplatz. Wetten? Es würde mir gefallen, dort oben zu sitzen. Dort sitzen und die Landschaft betrachten. Und hier bin ich.«
    »Ich verstehe«, sagte Pike. »Wie ist Ihr Name?«
    »Was?«
    »Ihr Name. Wie lautet er?«
    Roosevelt kam ins Stottern. »Ich … er lautet …«, murmelte er. »Ich weiß, dass ich einen habe. Ich erinnere mich bestimmt«, sagte er dann und lächelte wieder. »Keine Sorge.«
    Pike nickte. »Nun, bleiben Sie doch einfach noch einen Augenblick dort, Sir. Bleiben Sie einfach da sitzen, während wir uns kurz unterhalten.« Er gab Connelly das Zeichen, ihm zu folgen. Sie entfernten sich ein paar Meter.
    Pike sagte: »Roosevelt ist nicht er selbst.«
    »Ich weiß.«
    »Er hat uns zu dieser Stadt geführt. Als er den Pastor erblickte, sagte er etwas. Es war ein Code oder eine Botschaft. Dann schaute der Pastor uns an und wusste,

Weitere Kostenlose Bücher