Mr. Shivers
Raum.
Die Luft war voller Fliegen, Dutzende von ihnen schwärmten umher. Sie füllten das Zimmer und schienen die Schatten zucken zu lassen. Als er dort in der Dunkelheit stand, fühlte er, wie sie sich auf seinen Armen, seinem Hals und seinen Beinen niederließen. Er unterdrückte ein Frösteln und versuchte zu sehen, wo sie herkamen. Sie schienen aus einer der Wände herauszuströmen.
Er trat näher heran und bemerkte, dass er am oberen Ende der Kellertreppe stand. Die Stufen führten direkt nach unten und endeten an einer kleinen braunen Tür mit aufgesprungener Farbe. Connelly streckte die Hand aus, wedelte herum und bekam eine Kordel zu fassen, die von der Decke hing. Er zog daran, und nikotingelbes Licht fiel auf die Stufen. Die Tür schien sich zu verändern, schien sich im Licht zu bewegen, als wäre sie geweckt oder gestört worden. Sie stand einen Spalt offen, und Connelly konnte die ölig-schwarzen Fliegenkörper aus dieser Lücke herausquellen sehen, als würde der Keller bluten oder auslaufen.
Plötzlich traf ihn eine Woge aus heftigem Gestank, als hätte die Tür einen fauligen Seufzer ausgestoßen. Sie war ihm unerträglich, und er taumelte beinahe zurück. Seine Augen tränten, er wandte den Kopf ab, und die Fliegen schienen sich zu vermehren, als wären sie vor etwas im Keller auf der Flucht, etwas, das erwachte und sich regte, um ihn zu begrüßen, und dabei diesen entsetzlichen Gestank verbreitete.
Connelly fragte sich, wie lange er wohl hier gewesen war. Tage? Wochen? Es konnten unmöglich mehr als ein paar Tage gewesen sein.
Er nahm eine Stufe in Richtung Keller, zögerte, dann eine zweite. Er konnte dort unten sein, dachte er. Dort unten konnte der Narbenmann sein. Aber Connelly vermochte nicht zu sagen, ob er dem Anblick dessen gewachsen sein würde, was der Mann dort die ganze Zeit getan hatte. Welche Fäulnis war in dieser verlassenen Stadt gewuchert, von welchem Opfer hatte er gefressen? Denn genau das hatte er ja schließlich getan. Gefressen.
Connelly rieb sich den Mund und fragte sich, was genau auf diesem Teller gelegen hatte.
Auf halbem Weg blieb er stehen; die Tür starrte wie ein blindes braunes Auge zu ihm hinauf. Er hielt sich die Hand vor den Mund und musste dennoch immer wieder ein Würgen niederkämpfen.
Nein.
Er konnte das nicht tun.
Er ging die Stufen wieder hinauf und rang dabei nach Luft. Als er das tat, ertönte oben im Haus ein leises und zerbrechliches Klopfen. Er erstarrte und lauschte. Es verstummte nicht.
Connelly rannte die letzten Stufen hinauf, durch die Küche zu der Treppe, die in den ersten Stock führte. Er setzte den Fuß auf die erste Stufe, und das Klopfen verstummte.
Er wartete. Kein weiterer Laut ertönte. Auf den Zehenspitzen stieg er hinauf und starrte in die Dunkelheit. Er konnte nichts sehen, keine Bewegung, kein Licht. Er war fast oben, als der Wind lauter wurde und er einen Luftzug im Gesicht verspürte. Einen Augenblick lang dachte er nach, dann sprang er nach vorn und stürmte durch die rechte Tür oben am Treppenabsatz.
Es handelte sich um ein Schlafzimmer, ein Kinderzimmer. An der westlichen Wand stand ein Fenster offen, durch das der Wind hineinwehte.
Er raste hin und schaute hinaus. In der Nähe gab es weder einen Pfosten noch einen Baum oder einen Zaun, an denen man hätte hinunterklettern können, und doch hatte er genau gespürt, wie das Fenster geöffnet wurde und ein Luftzug durch das Haus ging. Jemand war in dem Zimmer gewesen und hatte das Fenster geöffnet, hatte es geöffnet, um zu fliehen, davon war er überzeugt. Er sah genauer hin. Unter ihm befand sich der Garten, dahinter schlossen sich die Bäume und ein Fluss an, aber danach gab es nichts mehr. Die Bäume schüttelten sich im Wind. Außer ihnen und dem wehenden Staub sah er nicht die geringste Bewegung.
Plötzlich hörte er etwas. Da war ein Laut im Wind. Ein Heulen wie von einem Tier. Etwas schrie in der wilden Nacht.
Connelly raste hinunter und stürmte aus der Haustür. Roosevelt stand auf der Straße und versuchte sich vor dem Wind zu schützen. »Was, zum Teufel, ist das?«, brüllte er, aber Connelly folgte bereits seinen Ohren und rannte in Richtung Fluss.
Das Heulen wurde lauter. Als sich Connelly einen Weg vorbei an den Bäumen suchte, entdeckte er ihn voraus. Auf der Brücke kniete ein Mann über einer zusammengesunkenen Gestalt, schüttelte das Ding vor sich und stieß wilde Schreie aus. Connelly verlangsamte sein Tempo. Es war Jake. Rotz und Wasser
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