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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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zurück.«
    Darauf wusste Connelly keine Antwort. Der junge Mann nickte.
    »Du kannst nicht davonrennen«, sagte er. »Es spielt keine Rolle, wie es dich erwischt. Aber es geschieht. Jeder kämpft gegen jemanden, versucht ihn niederzuringen und den letzten Schlag auszuführen. Eines Tages wird jeder Mensch und jedes Geschöpf genau das tun.«
    »Ich weiß nicht, was ich machen soll«, sagte Connelly. »Wie kann ich dem ein Ende bereiten?«
    »Stirb«, sagte der junge Mann.
    »Das kann ich nicht. Dafür kann ich mich nicht entscheiden.«
    »Doch, das kannst du. Wer denn sonst?«
    Connelly blickte zu dem Gemetzel hinunter. Am tiefblauen Himmel kreisten Geier und imitierten die Muster unter ihnen, ob ihnen das nun bewusst war oder nicht. »Sie hätten niemals herkommen dürfen«, sagte Connelly. »Sie hätten fortbleiben müssen. Weit weg. Sie hätten weit wegbleiben, niemals in die Nähe kommen dürfen.«
    »Damit hätten sie die Wahrheit verleugnet.«
    »Die Wahrheit?«
    »Die Wahrheit dieses Ortes. Würde man die Rotation der Schöpfung anhalten wollen, so als stoppte man eine Schallplatte mit einem Finger, um dann die Mitte zu suchen, den Ort, an dem sie sich nicht bewegt und der sich auch nie bewegt hat und es auch nie tun wird, und würde man diese Mitte, dieses kleine Herz, wie ein Medaillon öffnen, dann würde man genauso eine Arena wie diese hier finden. Und darin befänden sich zwei Menschen, die dort gefangen sind und sich nach allen Kräften bemühen, einander umzubringen.«
    »Das ist mir egal«, sagte Connelly. »Das ist mir scheißegal. Eine Lüge wäre besser. Jede Lüge. Ich würde lieber mit einer Lüge als mit dem hier leben, und dazu hätten sie sich auch entscheiden können.«
    »Das hätten sie. Aber sie haben es nicht.«
    Unten im Tal lebte mittlerweile so gut wie nichts mehr. Die Geier kreisten tiefer. Der junge Mann seufzte und hob das Gesicht der Sonne entgegen. »Du wirst mich bald sehen«, sagte er. »Du wirst mich bald sehen, Connelly.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja«, sagte der junge Mann. Dann hob er die Hand und berührte das Rot auf seiner Stirn, beugte sich mit funkelnden Fingern vor und berührte Connellys Stirn. »Wach auf«, sagte er. »Und sieh.«
    Connelly fühlte, wie sich irgendwo in seinem Inneren Bewusstsein kristallisierte. Er sah Dunkelheit. Dann schälten sich die Wände des Gefängnisses aus den Schatten, und er roch Erbrochenes und wusste, dass er noch immer am Leben war.
    »Connelly«, sagte Peachy. »Connelly, hörst du mich?«
    Connelly berührte zur Erwiderung den Boden, kratzte am Holz.
    »Connelly, ich glaube, sie haben etwas mit deiner Zelle gemacht. Ich weiß nicht was. Ich glaube, sie haben etwas darin versteckt. Etwas, um dich krank zu machen. Ich … ich glaube, mir ist gerade klar geworden, was es ist.«
    Er versuchte wach zu werden. Er wusste, dass diese Worte wichtig waren, aber es fiel ihm schwer, sie zu verarbeiten, als würde man versuchen, glitschige Schlangen einzufangen.
    »Such nach etwas, das man in die Spalten gesteckt hat. Etwas Kleines, nicht größer als ein Finger. Vielleicht oben in der Decke.«
    Er schaute zur Decke. Sie hätte genauso gut zehn Meilen weit weg sein können. Er konnte kaum wach bleiben, geschweige denn stehen.
    »Es wird ein Geräusch machen. Ich glaube, eine Art … seltsames … Lied.«
    Connelly schob sich in die Ecke und drückte den Rücken gegen die Wand, um Halt zu haben. Dann stieß er sich mit zitternden Beinen an dem groben Holz in die Höhe, kippte aber einmal um, dann noch einmal. Beim dritten Versuch stand er zwar nicht, war aber immerhin auf den Beinen, in die Zellenecke geklemmt. Dort lauschte er sorgfältig – oder zumindest so gut er konnte.
    Das Jaulen wurde lauter. Es war keine Infektion. Etwas in dem Raum sang zu ihm.
    Er wischte sich über Augen und Mund und entdeckte, dass seine Lippen nass vor Speichel waren. Er spuckte auf den Boden, dann legte er den Kopf zur Seite. Das Jaulen wurde schwächer. Er legte den Kopf in die andere Richtung, noch immer lauschend. Hier war es lauter, sogar qualvoll laut. Es zu hören ließ seine Zähne schmerzen.
    »Hast du es gefunden?«
    Connelly taumelte an der Wand entlang, ein Ohr ihren Fugen zugewandt. Er passierte einen Spalt, und das Jaulen wurde so laut, dass er um ein Haar das Bewusstsein verlor. Der ganze Raum erbebte, das Licht flackerte und verblasste an den Ecken, als würde der Laut die Luft selbst ersticken.
    Er fummelte an der Stelle herum, zwang die Finger

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