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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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zitterten und ihren Atem sehen konnten. Irgendwo in Connellys Bauch meldeten sich seine Instinkte: das seltsame Wissen, gejagt zu werden, das Gefühl, von der Nacht beobachtet zu werden.
    »Was geschieht hier?«, fragte Peachy durch den Spalt in der Wand.
    »Etwas kommt«, erwiderte Connelly.
    Weniger als eine Stunde später ließ ihn der Sheriff holen. Zwei Deputies legten ihm Handschellen an und führten ihn in den Raum mit den Ziegelwänden, wo der Sheriff sie nach Connellys Rechnung vor nicht einmal einer Woche zusammengeschlagen hatte. Der Sheriff kettete ihn an den Stuhl und sah ihn wortlos mit bedeutungsvollem Blick an, als würde er ihn beneiden. Dann zog er seinen Revolver und hieb ihn ihm gegen den Kopf. Connelly krümmte sich zusammen, und der Sheriff beugte sich vor und spuckte ihm ins Gesicht. Er sah ihn noch einen Augenblick lang an, dann ging er und zog die Tür hinter sich zu.
    Connelly saß da und versuchte, wieder zu sich zu kommen. Niemand trat ein. Minuten verstrichen. Er wartete und versuchte, das Bewusstsein nicht zu verlieren.
    Kurz darauf wurde er sich eines schrecklichen Gestanks in dem Raum bewusst, ein Gestank nach Verwesung und Lauge. Er hustete und atmete durch den Mund.
    Eine leise, kalte Stimme sagte: »Du bist größer, als ich dich in Erinnerung hatte.«
    Connelly schaute auf und hielt nach der Quelle der Stimme Ausschau. Zuerst erfolglos. Dann entdeckte er ein Paar abgewetzter Schuhe in den Schatten neben dem Tisch, darüber ein Paar geflickte Hosen und einen Mantel in der Farbe von Lokomotivenqualm, in dessen Falten sich grau-weiße Hände wie Quarzstücke in Granit schmiegten. Und irgendwo darüber konnte er ein seltsam farbloses Gesicht mit tiefen Falten erkennen, dessen pechschwarze Augen ruhig und gelassen blickten. Narbenstränge verliefen über Wangen, Stirn, Brauen und Hals, eine erlesene Kalligrafie der Gewalt.
    Connelly brüllte auf, bevor er überhaupt wusste, was hier geschah. Er warf sich auf seinem Stuhl nach vorn, drückte die Beine durch und zog, bis sich die Handschellen in seine Handgelenke gruben und die Hände glitschig vor Blut waren. Der graue Mann schien das nicht einmal zu registrieren. Er ließ ihn schreien, bis er nach Atem rang. Dann ging er langsam um ihn herum und betrachtete das Blut, das von Connellys Handgelenken auf den Betonboden getropft war. Er musterte es beiläufig und nickte dann.
    »Wie ich sehe«, sagte er, »bist du noch am Leben.«
    »Sei verflucht!«, knurrte Connelly.
    »Du hast einen weiten Weg hinter dir seit Memphis.«
    »Sei verflucht!«
    »So wie ich.«
    Connelly knurrte und warf sich ihm entgegen. Der graue Mann stand nur wenige Zentimeter von ihm entfernt und musterte ihn ruhig. Aus dieser Nähe konnte Connelly erkennen, dass eine der Narben auf seiner Wange bis hinauf zu seiner Schädeldecke führte, das Ohr in zwei Hälften teilte und fast seinen halben Kopf spaltete. Der graue Mann schien seltsam unbeweglich zu sein. Er schien nicht einmal atmen zu müssen.
    »Du hättest mir nicht folgen sollen«, sagte er mit einem Hauch Bedauern.
    »Scheißkerl! Scheißkerl!«, kreischte Connelly. »Du hast meine Tochter umgebracht! Du hast mein kleines Mädchen getötet! Mein kleines Mädchen, mein kleines gottverdammtes Mädchen!«
    »Du hättest mir nicht folgen sollen«, wiederholte der graue Mann.
    »Ich bringe dich um«, fauchte Connelly. »Ich bringe dich um. Ich schneide dir die Kehle durch, du verfluchter Scheißkerl. Ich töte dich.«
    »Es ist schon lange her, dass ich Menschen wahrgenommen habe«, sagte der graue Mann. »Genauer gesagt, einen Menschen. Ihr seid euch alle so ähnlich. Ich kann euch genauso wenig auseinanderhalten wie einen Tropfen Wasser im Ozean.«
    »Fick dich.«
    »Es ist immer dasselbe: Würde ich einem Mann aus den Bergen dieses Landes, in dem wir uns befinden, den Fuß abschneiden«, sagte der graue Mann, »und dann einem von einem fremden Ort, sagen wir China, das Gleiche antun, bin ich mir sicher, dass beide ähnliche Laute von sich geben würden. Ihre Geschichte und Kultur und Namen brächen in sich zusammen, und dann wären sie völlig gleich, nicht wahr?«
    »Scheißkerl«, keuchte Connelly. »Verfluchter Scheißkerl. Du kranker, kranker Scheißkerl.«
    »Aber du bist anders«, sagte der graue Mann. »Du und ich. Dich nehme ich wahr, ich kenne sogar deinen Namen, was für sich genommen schon seltsam ist. Wir ähneln uns auf eine Weise, die ich nur schwer verstehen kann.«
    Connelly schrie auf und warf

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