Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
Vom Netzwerk:
eingesperrt hatten, verbrachte Connelly den größten Teil der nächsten Stunde damit, sich gegen die Zellentür zu werfen. Peachy tat sein Bestes, ihn zu beruhigen, aber Connelly wollte nicht zuhören, konnte nicht zuhören. Er tobte und warf sich gegen das Holz, bis seine Schultern voller Blutergüsse waren und seine Fußknöchel schmerzten. Erst als er innehielt, wurde ihnen bewusst, dass da ein anderes Geräusch zu hören war.
    Schreie. Irgendwo in diesem Kerker schrie ein Mann vor Furcht und Schmerz.
    »Was ist das?«, fragte Peachy leise.
    »Roosevelt«, flüsterte Connelly. »Rosie. Er tut ihm etwas an. Er tut meinem Freund etwas an.«
    »Was denn, was meinst du?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Connelly, hast du Angst?«, fragte Peachy.
    »Ja. Ja. Und du?«
    »Ja. Was haben sie mit dir gemacht?«
    »Mich geschlagen. Und …«
    »Und was?«
    »Nichts. Sie haben nichts Gutes getan, so viel steht fest.«
    »Glaubst du … glaubst du, sie bringen mich auch um?«
    Connelly blickte zu dem kleinen Spalt in der Wand. Irgendwo hörte Roosevelt zu schreien auf. »Nein«, sagte er dann.
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich weiß … es nicht. Denk einfach nicht daran, Peachy. Lass es einfach sein.«
    »Glaubst du, wir sollten beten?«
    »Schon möglich.«
    »Komm. Bete mit mir, Connelly.«
    »In Ordnung.«
    Connelly setzte sich, faltete die Hände und senkte den Kopf. Erst als sich seine Handflächen berührten, wurde ihm bewusst, dass er zitterte. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal gebetet hatte. Er lauschte Peachys Flüstern, verstand aber kein Wort und keine Gebetsformel. Also stählte er sich und schickte einen wortlosen verzweifelten Hilfeschrei in den Himmel, von dem er hoffte, dass er das Gefängnisdach und die Wolkendecke und das dahinter befindliche Sternennetz durchbohrte, um in das Jenseits vorzustoßen, wo die Leere keinen Herrschaftsanspruch hatte und es möglicherweise ein Bewusstsein, eine Intelligenz gab, die zuhören und ihn verstehen würde, die möglicherweise Mitleid empfand. Etwas, einfach irgendetwas. Aber es erschien unwahrscheinlich, dass etwas so Gewaltiges von ihm Notiz nehmen oder sich gar für ihn interessieren würde.
    Er war so klein. Ein kleiner Mann, der sich durch die Wildnis kämpfte, der versuchte, die Aufmerksamkeit des Kosmos zu erregen, damit der allem einen Sinn gab. In den mitternächtlichen Eingeweiden des Kerkers war die Morgendämmerung nur eine Erinnerung und die Sonne kaum mehr als ein Traum, und Hoffnung erschien ihm mehr als ein Fluch statt ein Segen.
    Aber er stählte sich, jagte jene Gedanken an höhere Mächte und den Sinn des Ganzen aus seinem Verstand und dachte über einfachere Dinge nach: wie er aus dieser Zelle herauskommen konnte, was der morgige Tag wohl bringen würde. Und daran, jemanden umzubringen – was ihm mit jeder Sekunde einfacher erschien.
    Dann warteten sie auf die Schritte ihrer Henker. Es kam ihnen vor, als gäbe es etwas, das sie vorher sagen mussten. Aber ihnen fiel nichts ein.
    Drei Stunden waren vergangen, da hörten sie ein Geräusch: ein Rascheln, das jedoch nicht von draußen kam, sondern aus der Tiefe.
    »Hörst du das?«, fragte Peachy.
    »Ja«, sagte Connelly.
    Sie lauschten. Da waren Stimmen, die miteinander flüsterten, fluchten und sich gegenseitig verstummen ließen. Connelly stand auf und schaute auf den Boden. Die Stimmen befanden sich genau unter ihm. Es wurde still, er hörte ein Kichern. Dann sagte eine Stimme: »Du da.«
    Connelly wich zur Wand zurück.
    »Willst du nicht Hallo sagen?«, fragte die Stimme.
    »H-Hammond?«
    »Ja, ich bin’s. Eine Sekunde noch.«
    Connelly warf sich zu Boden und krallte nach den verzogenen Holzbohlen, versuchte fieberhaft eine Möglichkeit zu finden, sie auseinanderzureißen, was ihm aber nicht gelang.
    »Verschwinde, du verdammter Idiot, wir wollen dich schließlich nicht verletzen.«
    Er trat zurück, und eine kleine Säge bohrte sich zwischen den Spalten durch den Boden. Sie zuckte hin und her, um einen besseren Halt zu finden, dann bewegte sie sich auf und ab, sägte diagonal durch eine der Bohlen. Sie schien Stunden zu brauchen, um durch das Holz zu kommen. Schließlich wurde es in die Höhe gedrückt, und Connelly ergriff das durchtrennte Ende und bemühte sich, es nach oben zu biegen.
    »Nicht so laut! Du weckst noch den ganzen verdammten Bau auf!«, zischte Hammond.
    »Connelly?«, sagte Peachy. »Was … was geht da vor?«
    »Wer, zum Teufel, ist das?«,

Weitere Kostenlose Bücher