Mr. Shivers
kein Junge mehr.«
»Nun, was willst du tun, um mir zu beweisen, dass ich mich irre? Holst du deinen Schwanz heraus und winkst mir damit zu? Da würden so manche große Augen kriegen: ein weißer Bursche, der so etwas vor einer farbigen Frau tut, was?« Sie keckerte fröhlich.
Connelly stützte sich auf seine Krücke und humpelte näher. Die Alte richtete sich auf und musterte ihn von Kopf bis Fuß.
»Du hast ein paar üble Sachen mitgemacht, weißer Junge«, sagte sie.
»Ich … ich bin hungrig, Ma’am. Ich will nicht stören, aber …«
»Aber du wirst es trotzdem tun.« Sie seufzte und schnalzte mit der Zunge. »Na gut. Setz dich da ans Ufer und versuch, nicht gleich zu sterben. Ich lass mir mein Wasser nämlich nicht von einer Leiche verderben. Setz dich da hin und warte.«
Er gehorchte. Hinter den Bäumen verbarg sich eine breite, niedrige Hütte. Hinter ihren Fenstern tanzte die Wärme eines Kaminfeuers, auf der Veranda standen drei leere Schaukelstühle. Ein gewundener Pfad führte zwischen den Bäumen zur Vordertür. Am Anfang des Pfades türmte sich ein Haufen Gerümpel, Schuhe und Angelruten und sogar billiger Schmuck. Connelly lauschte dem Gesang der Alten, die ihre Kleider in einen Weidenkorb warf. Gelegentlich hielt sie inne, starrte in den Strom, griff urplötzlich ins Wasser und fischte einen Gegenstand heraus, funkelnde Dinge, die kaum mehr als Müll waren. Jedes Mal krächzte sie glücklich und brachte sie zu dem aufgetürmten Gerümpel, wo sie sie sorgfältig ablegte.
»Leben Sie allein hier?«, fragte Connelly.
»Mit meinen Schwestern. Aber ich bin die Einzige, die noch etwas tun kann. Sie sind alt. So alt wie die Hölle. Verstehst du?«
»Klar.«
Sie lachte. »Das tust du nicht.«
»Klar.«
»Junge, du bist der Traum einer jeden Frau, stimmst allem zu, was aus ihrem Mund kommt.«
»Ich versuche es zumindest.«
»Gib mir noch einen Moment Zeit. Ich besorge dir etwas, das wieder Kraft in deine Beine bringt, vielleicht auch in deine Hose.« Sie gackerte wieder und schlurfte zu der Hütte. Schließlich kehrte sie mit einer alten Blechtasse zurück, aus der Dampf aufstieg. Hielt sie ihm hin. »Vorsichtig. Das ist heiß.«
Er nahm sie entgegen und schaute hinein. Die Flüssigkeit war dick und braungrün, dabei roch sie stark nach Minze und Kräutern. »Was ist das?«
»Tannennadeltee. Mit Minze. Und Wermut. Alle möglichen guten Sachen. Das ist das Rezept meiner Schwester. Trink schon, du frierst schon Gott weiß wie lange, das sehe ich. Danach weißt du wieder, dass du am Leben bist, weißer Junge.«
Er blies darauf und trank. Als der Tee seine Kehle hinabrann, wurden seine Eingeweide zugleich heiß und kalt. Er atmete aus, und es brannte, aber es schien auch die Erschöpfung zu verbrennen.
»Mein Gott«, sagte er. »Das ist …«
»Scheußlich«, rief sie fröhlich. »Ich habe gesagt, es sei gut für dich, und nicht, dass es gut schmecke. Dinge, die gut für einen sind, schluckt man nie gern hinunter. So ist das nun einmal«, sagte sie zu sich selbst. »So ist das nun einmal.«
Sie schlurfte zurück zum Wasser und hob grunzend den Korb mit der Kleidung hoch. Connelly stand auf, um ihr zu helfen.
»Bleib sitzen«, schalt sie ihn. »Du bist in schlechterer Verfassung als ich. Dich halten doch nur noch die Kleider aufrecht, und von denen gibt es auch nicht gerade viel. Außerdem tut mir die Bewegung gut.«
Sie spannte eine Leine vom Fenster des Hauses zu einer Zeder und hängte die Wäsche vor sich hin summend auf. Sie trat zurück, klopfte sich die Hände ab und nickte zufrieden. Dann wandte sie sich Connelly zu und musterte ihn.
»Du hast für großen Ärger gesorgt, nicht wahr?«
Connelly gab keine Antwort. Er bereitete sich darauf vor, die Flucht zu ergreifen, falls das möglich war, und anzugreifen, sollte das erforderlich sein.
»Ach, nun komm schon«, spottete die Alte. »Ich habe dir gerade einen verdammt guten Tee gebracht. Vom Geheimrezept, nicht zu vergessen. Das verschwende ich nicht an jeden.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Der Rauch hat es mir verraten«, sagte sie mit einem Grinsen und deutete auf den Schornstein. »Er stieg in den Himmel, betrachtete den Berg und sagte zu mir: ›Hör mal, alte Nina, südlich von hier sehe ich ein großes Durcheinander, und da kommt ein Mann auf dich zu, der sich viel Ärger aufgebürdet hat.‹« Ihr Grinsen verblasste. »Viel Ärger«, wiederholte sie ernst.
»Ja«, sagte Connelly. »Ich weiß.«
»Du glaubst, das wäre
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