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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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des Baumes hervor.
    Er trug ihn tief in den Wald hinein, mindestens eine Viertelmeile. Es war ein hartes Stück Arbeit. Der Sheriff war kein großer Mann, aber er war auch nicht leicht, und die seltenen Versuche von Gegenwehr verlangsamten Connelly beträchtlich. Aber er ging weiter.
    Connelly zerrte ihn weit von seiner Stadt weg, weit weg von jedem Dach oder jeder Hütte oder jedem Haus. Schreie gab es keine. Dafür hatte Connelly gesorgt, indem er ihm als Erstes den Kiefer brach. Als er der Ansicht war, den kleinen Mann tief in das Herz des Waldes getragen zu haben, setzte er ihn ab und machte sich an die Arbeit.
    Er brach ihm die Knie, die Schienbeine, Füße und Hände. Er brach ihm die Ellbogen und Handgelenke und das Becken. Connelly konnte es nicht mit Sicherheit sagen, aber er war davon überzeugt, die Augenhöhle des kleinen Mannes gebrochen zu haben und möglicherweise auch ein paar Rippen.
    Knochen wurden zu Staub zermalmt, knirschten in ihren Gelenken. Der kleine Mann wand sich unter seinem Griff, unfähig zu jeder Gegenwehr. Connelly wusste, dass es nicht richtig war, das zu genießen, dass es sogar böse war, aber es fiel ihm schwer, sich dagegen zu wehren.
    Während er sich an ihm zu schaffen machte, flüsterte er: »Das ist die Welt, die ich für dich erschaffe. Genau das hier. Das ist die Welt, die ich für dich erschaffe.«
    Er tötete ihn nicht. Er wollte dem Sheriff keinen würdevollen Mord gönnen.
    Als Connelly fertig war, war er schweißgebadet. Und er drehte sich um und ging weiter den sanften Abhang des Berges hinunter. Hinter ihm wimmerte der Sheriff, seine Glieder scharrten über die Tannennadeln. Connelly blickte nicht zurück. Schon bald verstummten das Gewimmer und die Laute, und er hörte gar nichts mehr.

ZWEIUNDZWANZIG
    Connellys Wanderung dauerte länger als einen Tag. Zurück konnte er wohl nicht mehr, da die Wälder in der Nähe des Gefängnisses vermutlich zum Jagdgebiet geworden waren, darüber hinaus wusste er, dass er auf Wasser stoßen würde, wenn er nur lange genug dem Hang folgte.
    Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie schwach er war, bis er nach drei Stunden stolperte und in einen Graben stürzte. Er verstauchte sich den Fuß und versuchte, einen abgestorbenen Ast von einem Baum zu reißen, um ihn als Krücke zu benutzen. Dabei entdeckte er, dass er fast seine ganze Kraft verloren hatte. Hunger, Krankheit und Wassermangel hatten ihren Tribut gefordert.
    Weder sah noch hörte er Tiere, aber auch keine anderen Menschen. Als die Morgendämmerung kam, belebte sie eine silberne Waldwelt aus Nebel und graugrünem Unterholz. Die Luft hier war frisch und dünn, was vielleicht an der Höhe lag, aber Connelly war sich nicht länger sicher, wo er sich überhaupt befand. Vielleicht in New Mexico, vielleicht auch in Colorado. Vielleicht war es auch gar kein Bundesstaat, sondern einfach nur ein menschenleeres Land ohne Zugehörigkeit oder Bekenntnis. So wie alle Bundesstaaten, wenn man sie nur lange genug durchwanderte.
    Die Stille war unerträglich, genauso wie die schleichende Kälte. Der Frost bahnte sich den Weg in seine Knochen, und das Zittern machte jeden seiner Schritte unsicher. Er war noch immer barfuß. Er hatte sein Möglichstes getan, um sich die Füße nicht zu verletzen, aber jetzt spürte er sie kaum noch.
    Als er über einen weiteren schmalen Graben hinübersetzte, blickte er auf und entdeckte eine schmale graue Rauchfahne, die in den Himmel stieg. Er musterte sie, schätzte die Entfernung zu ihr ab und änderte seine Richtung.
    Er kam zu einem steinigen Fluss, betrachtete den Rauch erneut und kam zu dem Schluss, dass sie am Wasser lagern mussten. Nachdem er sich ausgezogen hatte, wusch er sich zuerst, bevor er ausgiebig trank. Das Wasser war so kalt, dass es auf seinen Lippen und in seinem Gesicht brannte. Dann humpelte er weiter und entdeckte, dass der Rauch aus einem zerfallenden Schornstein kam, dessen Spitze ein Stück vom Fluss entfernt über die Baumwipfel ragte. Gesang ertönte, und er sah eine Frau, die ein Stück weiter Wäsche wusch. Sie war alt und hatte eine Haut wie Melassesirup, und ihre Stimme trällerte wie ein Mann, der auf einer Säge spielte. Sie ging zwischen den Steinen hin und her und schrubbte ihre Wäsche. Als Connelly näher kam, schaute sie auf und grinste breit.
    »Was machst du denn hier, toter weißer Junge?«, rief sie.
    »Ich bin nicht tot«, sagte Connelly.
    »Klar bist du das. Du weißt es nur noch nicht.«
    »Eigentlich bin ich auch

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