Mr. Shivers
so einfach? Nichts weißt du. Komm ins Haus, Junge. Wir lassen meine Sachen trocknen und setzen dich ans Feuer. Du kannst auch im Müll herumsuchen, wenn du willst. Versuch ein Paar Schuhe zu finden. Komm schon.«
Die Alte ging voraus und schnalzte jedes Mal mit der Zunge, wenn Connelly ihr helfen wollte. Als sie die Tür öffnete, rief sie: »Dexy, wir haben Gesellschaft!«
»Oh?«, sagte eine Stimme, die noch älter als Ninas war. Connelly trat ein. Eine zusammengeschrumpfte alte Frau saß auf einem überladenen Stuhl vor einem lodernden Feuer. Sie war so weit nach vorn gebeugt, dass sie nicht aufsehen konnte, und ihr Kinn berührte beinahe ihre Brust. Auf ihrem Schoß lag eine Strickarbeit, aber ihre Knöchel und Gelenke waren vor Arthritis angeschwollen. Sie war noch schwärzer als Nina; rund um ihre Augen wirkte ihre Haut wie gesprungenes Vulkanglas. Sie starrte auf Connellys Bauch, grunzte und schaute zu ihm hoch. Sie bewegte die Lippen, fuhr mit der Zunge über die zahnlosen Kiefer und sagte: »Du lieber Gott, du bist ja vielleicht ein Großer. Ich weiß nicht, womit man dich gefüttert hat, aber sie haben dir davon zu viel gegeben.«
»Man hat ihn hungern lassen, Dexy«, sagte Nina.
»O nein.«
»Ja. Wanderte durch den Wald wie ein ausgesetztes Kind. Möglicherweise von Wölfen großgezogen.«
»Nein. Er sieht wölfisch aus, aber er hat die Augen eines Jungen«, sagte Dexy.
Nina grunzte unverbindlich, als wäre sie anderer Meinung, ohne sich deswegen aber streiten zu wollen.
»Komm, setz dich, Junge«, sagte Dexy. »Hier gibt es keinen Stuhl, der für dich stabil genug wäre, aber du kannst dich auf den Boden setzen, wenn du magst.«
»Ich habe schon schlechter gesessen und geschlafen«, meinte Connelly.
»Das glaube ich sofort«, sagte Nina.
Die Hütte war groß und schäbig, trotzdem war sie gemütlich. Der Steinboden wies Sprünge auf, war aber ordentlich gelegt worden, und von den Stützpfeilern hingen nicht einmal Spinnweben. Drei Stühle standen vor dem Feuer; links und rechts von Dexy war jeweils ein Platz frei. Jeder war für kleine alte Damen gemacht. An der gegenüberliegenden Wand gab es drei Türen; zwei standen offen und führten in Schlafzimmer, die dritte stand nur einen Spaltbreit geöffnet, der nichts als Dunkelheit zeigte.
»Ihr Tee ist sehr gut«, sagte Connelly. »Ich habe davon getrunken.«
»Ach was, Schmeichelei«, antwortete Dexy, aber sie lächelte. »Schmeichelei. Damit erreicht man alles. Was brauchst du denn, junger Mann?«
»Nun … ich kam vorbei und …«
»Oh, du brauchst nicht mehr zu sagen«, meinte sie. »Nina, der Junge braucht etwas zu essen.«
»Dann werde ich ihn wohl füttern müssen«, erwiderte Nina widerstrebend und begab sich in die Küche.
»Hier.« Dexy hielt ihm einen geschmolzenen Wachsklumpen hin, in dessen Mitte ein kleines Stück Docht aufragte. »Hier, nimm diese Kerze und zünde sie im Feuer an, wenn es dir nichts ausmacht. Meine verdammten Augen sind einfach nichts mehr wert.«
Connelly gehorchte, benutzte einen schmalen Zweig als Streichholz. Er stellte die Kerze auf dem Tisch neben ihr ab, und sie fummelte halbherzig an ihrer Strickerei herum.
»Ich war so verdammt gut darin«, meinte sie. »Das Einzige, das noch schlimmer als eine Sache ist, die nicht funktioniert, ist eine Sache, die beinahe funktioniert.« Sie ließ die Stricknadeln fallen, seufzte, und hob voller Verzweiflung den Kopf zur Decke.
»Darf ich eine Frage stellen?«, fragte Connelly.
»Lieber nicht. Aber mach schon, wenn du willst.«
»Was machen Sie alle hier draußen? Sie müssen doch Meilen von jeder Siedlung entfernt sein.«
Sie grunzte und sagte dann: »Stricken.«
»Stricken?«
»Ja. Das ist zumindest alles, was ich tue.«
»Sie sind in den Wald gezogen, um zu stricken?«
»Die meisten Tage kommt es mir so vor, als wäre ich schon immer hier gewesen«, sagte sie. »Aber vielleicht liegt das auch nur an meinem Alter.«
Nina servierte ihm kaltes Huhn und Maisbrei. Sie ging noch einmal, um ihm eine Gabel zu holen, und als sie zurückkehrte, hatte er bereits den größten Teil mit den Fingern gegessen.
»Herr im Himmel, ich sagte zwar, dass du am Verhungern bist, aber mir war nicht klar, wie sehr«, meinte sie. Sie setzte sich auf den Stuhl rechts von Dexy und legte sich ein Tuch über die Schultern.
Er nahm die Gabel entgegen. Er hatte schon lange keine mehr benutzt und musste sich erst wieder in Erinnerung rufen, wie man damit aß.
»Halte sie wie
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