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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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überhaupt tust. Für alle? Für dich selbst?«
    »Nicht für mich«, sagte Connelly. »Für mein kleines Mädchen. Es war nicht richtig. Ich muss das richtigstellen. Und wenn sich die Welt weigert, richtig zu handeln, dann muss man sie einfach dazu zwingen. Das muss man tun. Sie so lange schlagen, bis sie zuhört.«
    »Aber der Tod wird immer ein Teil dieser Welt sein«, sagte Dexy leise. »Auf die eine oder andere Weise. Den Grund dafür kenne ich nicht, aber er wird immer hier sein. Vergiss das nicht.«
    »Er macht uns zu Menschen«, sagte Nina. »Mit ihm beginnt es. Mit ihm endet es. Ein Land oder eine Zivilisation definiert sich nicht dadurch, wie sie das Leben lebt, sondern wie sie es beendet. Wie sie erobert und kontrolliert. Wie sie erntet, was sie braucht. Er wird dafür da sein. Er wird da sein. Verstehst du das?«
    »Das tue ich«, sagte Connelly. »Und es ist mir egal. Alles ist besser als er. Die Menschen sollten nicht so gehen müssen, wie sie es da draußen tun. In der Nacht erschossen, von Zügen in zwei Hälften getrennt. Von Angst erfüllt und allein. Das ist nicht richtig.«
    Die Schwestern nickten.
    »Ich habe ihn etwas gefragt«, sagte Connelly leise. »Als ich ihn das letzte Mal sah, habe ich ihn etwas gefragt. Ich fragte ihn, warum er mein kleines Mädchen nahm. Und er sagte, damit sie tot ist. Was keine vernünftige Antwort war. Also frage ich euch: Warum tötete er mein kleines Mädchen?«
    »Junge«, sagte Nina, »weißt du denn nicht, wo du bist? Bist du erst ein Jahr alt? Welcher Narr schaut denn dem Tod ins Antlitz und fragt dann warum? Und erwartet auch noch eine Antwort? Vielleicht weiß ja nicht einmal der Tod selbst, warum er zu denen kommt, die sterben. Vielleicht gibt es keine Motivation, keinen Antrieb, keinen Grund.«
    »Wenn er es nicht sagen kann, dann können wir es mit Sicherheit auch nicht«, sagte Dexy. »Für gewisse Fragen wird es niemals Antworten geben können.«
    »Verdammt«, sagte Connelly leise. »Gottverdammt noch mal! Gottverdammt noch mal!«
    Eine Brise fuhr über die kleine Lichtung und zog die Flammen in diese und jene Richtung. Dexy und Nina schauten wieder auf den leeren Sitz. Dann runzelte Nina die Stirn, als hätte sie etwas sehr Dummes gehört, während Dexy den Kopf schüttelte.
    »Na gut, beim Allmächtigen«, sagte Dexy. »Für alles gibt es ein erstes Mal.« Sie wandte sich wieder Connelly zu. »Stell noch eine.«
    »Was?«
    »Stell noch eine«, sagte Nina. »Eine weitere Frage. Es ist lange her, dass man uns mehr als drei Fragen stellte. Aber wir konnten die letzte nicht beantworten, also darfst du uns noch eine stellen.«
    Connelly dachte lange nach. Dachte über das nach, was er tat, vielleicht sogar zum ersten Mal. Dachte an sein Leben nach dem Tod, dachte an das Leben der anderen.
    »Was geschieht, wenn ich gewinne?«, fragte er.
    Dexy schaute ins Feuer und betrachtete die Flammen. »Das Gleiche, das immer nach dem Tod geschieht. Wiedergeburt.«
    »Die Verwundeten und Verletzten und Toten stehen völlig geheilt auf«, sagte Nina. »Was war, erhebt sich wieder und macht weiter. Unversehrt. Wie zuvor. Vielleicht sogar größer.«
    »Und ich gehe nach Hause, richtig?«, fragte Connelly. »Dann kann ich nach Hause gehen. Und mich ausruhen.«
    »Vielleicht«, sagte Dexy. »Aber wenn dem nicht so ist, weißer Junge … Wenn das Verlorene nie wieder zurückkehren kann, würdest du es trotzdem tun? Würdest du diese Kreatur trotzdem jagen, bis du sie in die Ecke getrieben hast?«
    »Sofort«, antwortete Connelly. »Ohne auch nur eine Sekunde lang zu zögern.«
    »Also gut«, sagte Nina. »Du hast dich entschieden.«
    Dexy schaute zu dem leeren Sitz hinüber und legte den Kopf schief, als würde sie lauschen. Dann sagte sie: »Bist du dir da ganz sicher, was du tun willst, Junge? Du musst wissen, dass du nicht bloß versuchst, einen Mann zu töten oder sogar einen Gott, sondern ein Wesen, das möglicherweise das Leben von Menschen und Göttern in seiner Hand hält.«
    »Für mich sieht er wie ein ganz normaler Mensch aus«, beharrte Connelly.
    »Und in gewisser Weise ist er das auch. Ich vermute, das ist seine Schwäche. Ich vermute, dass genau das dir sowohl die Chance auf Erfolg gibt als auch diese Sicherheit verleiht.« Sie seufzte, und die Lichtung schien sich auszudehnen, und die Bäume schrumpften. Die Dunkelheit wich zurück, und Connelly fühlte sich auch nicht mehr so winzig.
    »Also gut«, sagte Nina. »Schluss damit. Wir sind fertig. Ich bin

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