Mr. Vertigo
macht. Aber falls du mal wieder zu Verstand kommst, vergiss nicht, wo ich bin. Vielleicht wirst du ja noch vernünftig, ehe es zu spät ist.» Und damit griff sie in die Handtasche, zog eine Geschäftskarte heraus und drückte sie mir freundlich in die Hand. «Keine Sorge wegen der Kosten», fügte sie hinzu. «Wenn du wieder mal an mich denkst und zufällig grade pleite bist, bitte die Vermittlung um ein R-Gespräch.»
Aber ich habe sie nie angerufen. Ich hatte wirklich vor, die Karte aufzubewahren, und steckte sie in die Hosentasche, aber als ich am Abend vor dem Schlafengehen danach suchte, war sie verschwunden. Nach all dem Geziehe und Gezerre, das meine Hose gleich nach diesem Mittagessen aushalten musste, war nicht schwer zu erraten, was passiert war. Die Karte war herausgefallen, und wenn das Zimmermädchen sie nicht längst in den Müll geworfen hatte, lag sie nun irgendwo auf dem Boden der Suite 409 im Royal Park Hotel.
Ich war damals einfach nicht zu bremsen, nichts konnte meinen Aufstieg stoppen, ich raste mit Vollgas durch die Einbahnstraße des Erfolgs. An einem schwülen Augustnachmittag, knapp ein Jahr nach meinem Essen mit Mrs. Witherspoon, gelang mir der nächste große Durchbruch, als ich in Arlington tausend Dollar auf einen Außenseiter im dritten Rennen setzte. Wenn ich hinzufüge, dass das Pferd Wunderknabe hieß, und wenn ich weiter hinzufüge, dass ich noch immer meinem alten Aberglauben anhing, muss man kein Gedankenleser sein, um zu begreifen, warum ich diesen hoffnungslosen Einsatz gewagt habe. Verrücktheiten waren damals bei mir an der Tagesordnung, und als der Einjährige bei einer Quote von vierzig für eins mit einer halben Länge Vorsprung durchs Ziel ging, wusste ich, es gab einen Gott im Himmel, der lächelnd auf meine Possen hinabsah.
Der Gewinn versetzte mich in die Lage, endlich zu tun, was ich am meisten wollte, und ich machte mich sofort daran, diesen Traum zu verwirklichen. Ich bat Bingo um eine private Unterredung in seiner Penthouse-Wohnung mit Blick auf den Michigan-See, und nachdem ich ihm den Plan erläutert und er den anfänglichen Schock überwunden hatte, gab er mir, wenn auch widerwillig, grünes Licht. Nicht dass er die Idee für untauglich hielt, aber es wird ihn enttäuscht haben, dass ich meine Ziele so niedrig ansetzte. Da bereitete er mich auf eine Rolle in der Führungsspitze vor und musste sich plötzlich anhören, dass ich meinen eigenen Weg gehen und einen Nachtclub eröffnen wollte, der meine ganze Kraft beanspruchen würde. Er hätte darin durchaus eine Art Verrat sehen können, und ich musste ganz behutsam und phantasievoll vorgehen, um dieser Falle auszuweichen. Zum Glück war mein Mundwerk an diesem Abend gut in Form, und indem ich ihm aufzeigte, wie viel er dadurch an Geld und Vergnügen hinzugewinnen würde, bekam ich ihn schließlich herum.
«Mit den vierzig Riesen kann ich die Sache ganz allein finanzieren», sagte ich. «Ein anderer würde jetzt einfach die Biege machen, aber das ist nicht meine Art. Du bist mein Freund, Bingo, und du sollst auch ein Stück vom Kuchen abkriegen. Kein Kredit, keine lästige Arbeit, keine Verpflichtungen – aber von jedem Dollar, den ich einnehme, bekommst du fünfundzwanzig Cent. Gerechtigkeit muss sein, stimmt’s? Du hast mir eine Chance gegeben, und jetzt bin ich in der Lage, dir den Gefallen zu erwidern. Loyalität muss in dieser Welt noch was gelten, und ich werde nie vergessen, wem ich mein Glück zu verdanken habe. Mir schwebt keine billige Kaschemme für den Pöbel vor, sondern eine Goldgrube mit allem Drum und Dran. Ein richtiges Restaurant mit französischem Koch, erstklassigen Varietévorführungen und schönen Mädels, die in hautengen Kleidern aus den Kulissen schlüpfen. Du wirst schon beim Reinkommen einen Ständer kriegen, Bingo. Ich reserviere dir den besten Tisch des Hauses, und wenn du mal nicht auftauchst, bleibt dein Tisch den ganzen Abend leer – egal wie viele Leute draußen vor der Tür warten.»
Er feilschte mich hoch auf fünfzig Prozent, aber ich hatte schon mit so was gerechnet und fing keinen Streit darüber an. Entscheidend war, dass er mir seinen Segen gab, und dazu musste ich ihn bei Laune halten und seine Einwände auf meine freundliche, gefällige Art entkräften; am Ende machte er mir sogar, nur um seinen Edelmut unter Beweis zu stellen, das Angebot, zehntausend zusätzlich beizusteuern, damit der Laden auch wirklich in Schuss käme. Ich hatte nichts dagegen. Ich wollte
Weitere Kostenlose Bücher