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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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Sohns machte dem Major klar, dass Roger bisher keinen einzigen Treffer gelandet hatte.
    »Denk an das Vorhaltemaß!«, sagte er. Roger nickte und wirkte, während er davoneilte, einen Augenblick lang sogar dankbar für den Rat.
    »Eifriges Bürschchen«, sagte Ferguson. »Guter Schütze?«
    »Auf seinem allerersten Jagdausflug hat er einen erstklassigen Vogel erlegt«, antwortete der Major und entschuldigte sich im Stillen bei dem längst verendeten Specht.
    »Ich habe bei meiner ersten Jagd dem Jagdleiter in den Hintern geschossen«, erzählte Ferguson. »Hat meinen Vater ein Vermögen gekostet, den Kerl zum Schweigen zu bringen, und Dad hat mich jeden einzelnen Cent schmerzhaft spüren lassen. Danach bin ich im Zielen ziemlich schnell ein gutes Stück besser geworden.«
    »Da kommen sie«, sagte der Major, der sich insgeheim fragte, ob noch ein bisschen mehr Prügel den Amerikaner vielleicht davon abgehalten hätten, anderer Leute Vögel abzuknallen.
    Als die Gewehre in die Höhe gingen und die kreischende Entenwolke über den fernen Bäumen heranrollte, registrierte der Major am unteren Rand seines Gesichtsfelds eine Bewegung. Er richtete den Blick dorthin und sah zu seinem Entsetzen, dass auf der ganzen Breite des Waldrands kleine Gestalten hervorstürmten und stolpernd auf die Weide liefen.
    »Nicht schießen!«, brüllte er. »Da sind Kinder auf der Weide!« Ferguson drückte ab und holte eine Ente vom Himmel. Ein, zwei weitere Schüsse ertönten, und von der Weide her, auf der uniformierte Kinder sich duckten und im Zickzack herumliefen, waren Schreie zu hören. Eine weitere Gruppe Menschen, einige mit Schildern, die wegen der Distanz unleserlich waren, kam seitlich, vom Wäldchen her, anmarschiert. Alice Pierce warf in ihrer ganzen grün-orangenen Herrlichkeit ihr Schild zu Boden, entfernte sich von den anderen und lief schreiend und händefuchtelnd auf die Kinder zu.
    »Nicht schießen«, bellte der Major, ließ seine Waffe fallen und stürzte sich auf Ferguson, um dessen Flintenlauf nach oben zu reißen.
    »Verdammt noch mal, was …« Ferguson zog sich einen großen orangeroten Stöpsel aus dem Ohr.
    »Da sind Kinder auf der Weide!«, schrie der Major.
    »Nicht schießen!«, brüllte Morris, der Wildhüter, und ließ seine Hunde an der Hecke entlanglaufen, was die Aufmerksamkeit der Jagdgesellschaft offenbar stärker erregte als die schreienden, umherlaufenden Kinder.
    »Was zum Teufel ist eigentlich los?«, fragte Lord Dagenham von seinem Jagdstand aus. »Was machen die denn da, Morris?« Auf ein Zeichen des Wildhüters hin liefen die Jagdhelfer hinaus und versuchten, die Kinder zusammenzutreiben wie ungebärdige Schafe. Der Major sah, wie ein bulliger junger Mann einen dünnen Jungen ziemlich unsanft zu Fall brachte. Brüllend vor Wut stürzte sich Alice Pierce wie ein wollener Felsblock auf den jungen Mann. Die Erwachsenen auf der Weide schrien empört auf und begannen, die Farmerjungen zu jagen und mit ihren Schildern nach ihnen zu stechen wie mit Mistgabeln. Die Hunde sprangen bellend umher und schnappten nach jedem Fußknöchel, bis der durchdringende Ton von Morris’ Pfeife sie zurückrief. Der Major erkannte den Wirt des Pubs, der auf die Hecke zulief. Er trug ein Schild mit der Aufschrift »Ihr dürft uns nicht zerstören«. Eine Frau in einem sportlichen Mantel und mit schönen braunen Lederhandschuhen identifizierte der Major zu seinem Entsetzen als Grace. Sie schlug mit einem Schild, auf dem »Frieden statt Fortschritt« stand, nach einem jungen Mann. Am Teich, abseits des Handgemenges, waren zwei Gestalten stehen geblieben, bei denen es sich nach Ansicht des Majors so gut wie sicher um den Pfarrer und seine Frau Daisy handelte. Sie trugen keine Schilder, und es sah ganz danach aus, als stritten sie miteinander.
    »Verdammte Scheiße, die Protestler machen Randale!«, sagte Ferguson. »Ich rufe die Sicherheitsleute.« Er kramte in seiner Tasche und steckte sich eine kleine Kopfhörerkapsel ins Ohr.
    »Morris, sagen Sie diesen Leuten, dass das unbefugtes Betreten eines Grundstücks ist!«, rief Dagenham. »Die gehören alle verhaftet!«
    »Vielleicht sollten wir sie einfach erschießen«, riet irgendein Banker weiter unten an der Jagdstandreihe. Der Vorschlag wurde mit allgemeiner Zustimmung quittiert, und ein oder zwei Männer richteten bereits ihre Gewehre auf die Weide.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte Morris, während er die Hecke abschritt.
    »Es gibt heutzutage einfach viel zu viele

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