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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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und die kleine Kapelle sägte auf der Bühne an der gegenüberliegenden Wand vor sich hin. Rings um die Tanzfläche standen die Leute dicht gedrängt und unterhielten sich zwischen den Tanzenden und den eng gestellten Reihen runder Tische, die jeweils in der Mitte mit gelben Blumen und einem Kerzenhalter in Form eines Minaretts dekoriert waren. In jedem Durchgang drängelten sich kleine Grüppchen. Die Kellner der Rasools zwängten sich in die Menschenmenge und wieder heraus; sie hielten die immer wieder in Schräglage geratenden Tabletts mit den Hors d’œuvres so hoch über den Köpfen der Gäste, als wetteiferten sie darum, den Raum der ganzen Länge nach und wieder zurück zu durchqueren, ohne auch nur ein einziges Stück Blätterteigpastete abgeben zu müssen. Ein Duft nach Orchideen hing in der Luft, die ziemlich feucht war – entweder von den menschlichen Ausdünstungen oder aufgrund der tropischen Farne, die von den zahlreichen Styroporsäulen unterschiedlichster Höhe und Form herabhingen.
    Mrs. Ali winkte Mrs. Rasool zu, die an der Küchentür stand und die Kellner dirigierte, als würde sie Boten auf ein Schlachtfeld schicken und wieder zurückbeordern. Gerade eben sandte sie Mr. Rasool den Älteren los. Der trottete mit einem Tablett herein, das, weil er es gefährlich tief hielt, schon an der ersten Tischreihe leergeräumt war. Mrs. Rasool lief hin und zerrte ihn mit routinierter Diskretion in die sichere Küche zurück.
    Der Major führte Mrs. Ali in einem Bogen um die Tanzfläche herum. Da die neben der Küche befindliche Hauptbar hinter dem Bataillon durstiger, gestenreich Drinks bestellender Gäste gar nicht mehr sichtbar war, hatte er beschlossen, eine kleinere, im Windschatten der Bühne aufgestellte Bar anzusteuern, weil er hoffte, von dort aus auf die relativ ruhige Glasveranda zu gelangen. Allerdings hatte er ganz vergessen, wie schwierig es war, sich durch ein solches Gedränge zu schieben und eine Dame dabei sowohl vor den gleichgültigen Rückseiten der Gesprächsgrüppchen als auch vor den Ellbogenstößen begeisterter Tänzer zu schützen. Der Vorteil, Mrs. Alis Arm die ganze Zeit über fest an sich drücken zu müssen, wog die Mühe für ihn aber fast wieder auf, und ein paar Sekunden lang hegte er die Hoffnung, jemand würde sie umrempeln – in seine Arme hinein.
     
    An Kostümen war von kostspielig ausgeliehenen bis hin zu rasch improvisierten so ziemlich alles vertreten. Vor einer hohen, weinumrankten Säule stießen sie auf Hugh Whetstone, der eine Safarijacke und einen Reishut trug.
    »Stammt der auch noch von der
Mikado
-Aufführung?«, schrie der Major, damit Whetstone ihn verstand.
    »Souvenir von unserer Kreuzfahrt nach Hongkong«, brüllte Whetstone zurück. »Nach dem, was meine Frau für ihre Maharani-Montur ausgegeben hat, habe ich mich geweigert, auch nur einen einzigen weiteren Penny in ein Kostüm zu investieren.« Die beiden Männer sahen sich um, und tatsächlich entdeckte der Major Mrs. Whetstone in einem lindgrünen Sari. Sie unterhielt sich gerade mit Mortimer Teale, der seinen üblichen nüchternen Anwaltsanzug gegen einen Blazer und ein gelbes Halstuch eingetauscht hatte; dazu trug er eine Crickethose und Reitstiefel. Sein Blick ruhte wohlgefällig auf Mrs. Whetstones Körpermitte, wo unter einer kurzen Satinbluse teigige Röllchen hervorquollen. Offenbar erklärte sie Mortimer gerade ungeniert, was es mit dem Abziehtattoo auf sich hatte, das der Furche zwischen ihren Brüsten in Form einer Schlange entsprang und sich über das Schlüsselbein zog.
    »Ich meine, wo will sie das denn noch mal tragen?«, jammerte Hugh. Der Major schüttelte den Kopf, was Hugh als Zustimmung missverstand. Es war aber ein Zeichen des Widerwillens, der sowohl Hugh galt, der so gleichgültig war, dass er es nicht einmal bemerkte, wenn andere Männer seiner Frau Beachtung schenkten, als auch Mortimer, der seine Frau, wenn es ging, nirgendwohin mitnahm.
    »Vielleicht könnte man es als Tagesdecke benutzen«, sagte Mrs. Ali.
    »Oh, entschuldigen Sie bitte – Mrs. Ali, kennen Sie Hugh Whetstone?« Der Major hatte gehofft, das Vorstellen vermeiden zu können; Hugh stand schon leicht schief und hatte eine Fahne.
    »Glaube nicht, dass ich das Vergnügen schon mal hatte«, sagte Hugh, der sie offensichtlich auch nicht erkannte.
    »Normalerweise packe ich Ihnen immer ein halbes Pfund durchwachsenen Speck, hundert Gramm Gorgonzola und sechs dünne Panatelas ein«, sagte Mrs. Ali mit

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