Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
ruhten fest auf dem Boden.
»Man kann mit einigem Recht behaupten, dass dies das Schönste an jedem Ball ist«, sagte der Major. »Der Augenblick, kurz bevor man in der Menge untergeht.« Aus der Grill-Bar tönten Walzerklänge herüber, und er war froh, dass anständige Musik gespielt wurde.
»Ich hätte nicht gedacht, dass ich so viel Angst haben würde«, sagte Mrs. Ali.
»Was ist denn zu befürchten, gnädige Frau? Außer dass Sie sämtliche anderen Damen in den Schatten stellen werden.« Ein Gemurmel wie Meeresrauschen drang aus den offen stehenden Türen des Clubs, in dem sich wahrscheinlich bereits hundert Männer an der langen Bar um den Champagner rangelten, während hundert Frauen über die Kostüme sprachen und Wangenküsschen verteilten. »Klingt nach ziemlich großem Gedränge da drin«, fügte er hinzu. »Jetzt habe ich selbst ein bisschen Angst.«
»Sie machen sich über mich lustig! Aber Sie wissen doch hoffentlich, dass das hier etwas anderes ist, als gemeinsam Bücher zu lesen oder am Meer spazieren zu gehen.«
»Ich bin mir nicht ganz sicher, was Sie damit meinen.« Der Major nahm sie bei der Hand, zog sie zur Seite und nickte einem vorbeigehenden Paar zu. Die beiden sahen ihn verwundert an; erst dann erwiderten sie den Gruß und gingen die Treppe hinauf. Der Major war sich ziemlich sicher, dass Mrs. Ali genau das gemeint hatte.
»Dabei tanze ich nicht einmal«, sagte sie. »Jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit.« Er sah, dass sie zitterte. Sie war wie ein Vögelchen unter einer Katzenpfote, völlig starr, aber erfüllt von dem Drang zu fliehen. Er wagte es nicht, ihre Hand loszulassen.
»Schauen Sie, es ist ein bisschen grell dekoriert und schrecklich voll da drin, aber es gibt keinen Grund, nervös zu sein«, versicherte er ihr. »Ich persönlich würde das Ganze ja gern schwänzen, aber Grace wird nach Ihnen Ausschau halten, und ich habe nun einmal versprochen zu kommen und im Rahmen des Unterhaltungsteils diese alberne Auszeichnung entgegenzunehmen.« Er spürte, dass er sie so bestimmt nicht ermutigen würde, und schwieg.
»Ich will Ihnen nicht zur Last fallen.«
»Dann zwingen Sie mich nicht, allein da hineinzugehen wie ein übriges Ersatzteil. Sobald man mir den Silberteller überreicht hat, möchte ich an den Tisch zurückgehen und neben der elegantesten Dame im ganzen Raum sitzen.« Sie lächelte ihn matt an und straffte die Schultern.
»Entschuldigen Sie bitte. Ich weiß auch nicht, warum ich mich so anstelle.« Er fasste sie unter dem Ellbogen, und sie ließ sich die Treppe hinaufführen. Er ging schnell, damit sie keine Zeit hatte, es sich anders zu überlegen.
Die Tür zur Grill-Bar wurde von zwei großen Pflanzgefäßen aus Messing mit je einer Palme offen gehalten. Um den Türstock herum hing ein scharlachrotes Stück Stoff, mit Goldborten, dicken Troddeln und Bambusperlenketten zu einer Girlande gebunden. In einer Mauernische versuchte ein großer, opulent geschmückter Weihnachtsbaum samt Engelsfigur auf der Spitze, seine Deplaziertheit mit Unmengen von Hängedekor in Form von indischen Pantoffeln sowie mit Geschenken zu kaschieren, die in Präsentpapier mit Taj-Mahal-Motiv verpackt waren.
In der Mitte des Vorraums stand Grace und verteilte Tischkarten und Programmhefte. Sie trug eine lange, bestickte Jacke und eine Pajamahose in schönem Zartlila; ihre Füße steckten in strassbesetzten Sandalen. Das Haar fiel ihr weicher als sonst um die Kinnpartie, und ausnahmsweise einmal hatte sie den Puder weggelassen, der ihr Gesicht sonst immer in dicken, rissigen Schichten überzog.
»Sie sehen zauberhaft aus, Grace«, sagte der Major und freute sich, ein Kompliment machen zu können, das er ehrlich meinte.
»Daisy wollte mich mit einer Girlande aus Papierblumen verschandeln«, erzählte Grace, mehr an Mrs. Ali als an den Major gewandt. »Ich musste das Ding in einem Blumentopf entsorgen.«
»Gut gemacht«, sagte Mrs. Ali. »Sie sehen großartig aus.«
»Sie aber auch, meine Liebe«, erwiderte Grace. »Mit dem Schultertuch war ich mir ja nicht so sicher, aber Sie haben das Kleid damit noch verführerischer gemacht. Sie sehen aus wie eine Königin.«
»Gehen Sie mit hinein?«, fragte der Major, den Blick auf die wogende, knallbunte Menge der in der Grill-Bar versammelten Menschen gerichtet.
»Daisy hat mich so eingeteilt, dass ich hier noch eine halbe Stunde Dienst habe«, antwortete Grace. »Aber gehen Sie ruhig, und lassen Sie sich von unserem Großwesir
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