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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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wirklich absurd«, sagte Mrs. Khan. »Mein Mann ist geradezu entsetzt darüber, dass man die Sponsoren so groß auf die Titelseite geklatscht hat.« Alle beäugten den Umschlag des Programmhefts, auf dem in absteigender Schriftgröße die Sponsoren aufgelistet waren. An erster Stelle stand, fett gedruckt wie eine Schlagzeile, »St. James Exklusive Residenzen«, während ganz unten, gleich nach »Jakes and Sons, Rasenbedarf«, in winziger Kursivschrift auf »Plastische Chirurgie – Schönheit, Harmonie, Ästhetik« hingewiesen wurde. Das, mutmaßte der Major, war Dr. Khans Praxis.
    »Wer ist denn ›St. James Exklusive Residenzen‹?«, fragte Dr. Khan.
    Der Major hatte keine Lust, ihn aufzuklären. Aber immerhin war damit das Geheimnis der üppigen Dekoration gelüftet: Ferguson hatte eine weitere geschickte Maßnahme ergriffen, um die Einheimischen zu manipulieren. »Die wollen in ganz Edgecombe St. Mary riesige Häuser bauen, die nur von reichen Leuten mit guten Beziehungen gekauft werden dürfen«, erklärte Mrs. Ali.
    »Tolle Idee«, sagte Mrs. Khan zu ihrem Mann. »Wir sollten uns mal erkundigen, wie groß so ein Haus sein darf.«
    »Das ist Lord Dagenhams Werk«, warf Mrs. Ali ein.
    »Scheinbar wird Lord Dagenham Ihnen die Auszeichnung heute ja selbst überreichen«, sagte Mrs. Khan zum Major. »Mein Mann war enorm erleichtert, dass er nicht gefragt wurde. Er leistet jederzeit gern seinen Beitrag, aber er hasst es, im Rampenlicht zu stehen.«
    »Als Lord kann man sich eine Geldspende natürlich sparen«, meinte Dr. Khan, nahm einen kräftigen Schluck von seinem Gin und versuchte vergeblich, einen weiteren zu bestellen.
    »Mein Mann ist nämlich sehr großzügig«, fügte Mrs. Khan hinzu.
    Das Gespräch wurde von einem kurzen Trommelwirbel unterbrochen. Alec Shaw, wieder mit bebendem Turban auf dem Kopf, verkündete die Ankunft des Maharadschas höchstpersönlich sowie seines königlichen Gefolges. Die Kapelle begann, ein dem Major irgendwoher bekanntes feierliches Stück zu spielen.
    »Ist das Elgar?«, fragte der Major.
    »Ich glaube, es ist aus ›Der König und ich‹ oder etwas Ähnlichem«, antwortete Mrs. Ali, inzwischen unverhohlen kichernd.
    Die Menge wich an den Rand der Tanzfläche zurück. Der Major blieb äußerst unbequem zwischen dem Schwertgriff des Arztes und Mrs. Khans gut gepolsterter Hüfte stecken. Er stellte sich so gerade hin, wie er nur konnte, um möglichst wenig Körperkontakt aufnehmen zu müssen. Mrs. Ali, die an der anderen Seite des Arztes eingezwängt war, fühlte sich sichtlich ebenso sichtlich unwohl.
    Aus dem Vorraum schritten auf dem karmesinroten Teppich zwei Kellner mit großen Bannern herein, gefolgt von Lord Dagenham und seiner Nichte, beide üppig kostümiert. Dagenham, mit violetter Tunika und einem Turban angetan, hatte Schwierigkeiten zu verhindern, dass sich sein Krummsäbel in den Sporen seiner Stiefel verhakte, während Gertrude, die man offenbar angewiesen hatte, ausladend zu winken, um ihre wallenden Ärmel zur Geltung zu bringen, die Arme starr in einem Dreißig-Grad-Winkel von sich streckte und so trampelig daherstapfte, als würde sie nicht Seidenpantöffelchen, sondern immer noch Gummistiefel tragen. Hinter den beiden trotteten in Zweierreihe mehrere Tänzerinnen herein – die Kellnerinnen aus der Grill-Bar –, angeführt von Amina in einem türkisblauen Pajama-Kostüm. Obwohl sich ihr Haar unter einem eng anliegenden Satintuch verbarg und ihr Gesicht unterhalb der dunkel umrandeten Augen von einem flatternden Chiffonschleier bedeckt wurde, sah sie erstaunlich schön aus. Ihre Tanztruppe war von einer deutlich sichtbaren Symmetrie geprägt: Während die Mädchen vorbeigingen, erkannte der Major, dass man sie nach dem Grad ihrer Einsatzbereitschaft angeordnet hatte – die an der Spitze schlängelten hingebungsvoll die Arme, die weiter hinten dagegen schlurften verlegen und mürrisch vor sich hin.
    Den Mädchen folgten zwei Trommler und ein Mann mit einem Sitar; dann kamen zwei weitere Kellner mit Flaggen, der Feuerschlucker und als Letztes ein Akrobat, der sich ein paarmal auf der Stelle drehte, damit der Festzug Zeit hatte, den Raum zu verlassen und Platz zu machen für seine Salti und Flickflacks. Die Fahnenträger konnten sich nur mit Mühe durch die Tür links von der Bühne zwängen, und der aufkommende schwache Brandgeruch ließ vermuten, dass der Feuerschlucker ungeduldig geworden war. Lord Dagenham und seine Nichte betraten die Bühne von

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