Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
Männern, die sich bereit erklärt hatten, für ein kostenloses, aus Sandwiches und Bier bestehendes Abendessen bei der Vorstellung mitzuwirken.
»Ich mache das nur für dich, Dad«, hatte er erklärt. »Und wenn aus der Aufführung etwas werden soll, braucht Gertrude meine Mithilfe.«
»Mir wäre es wesentlich lieber, wenn diese ›Aufführung‹ abgesagt würde«, hatte der Major erwidert. »Ich kann immer noch nicht fassen, dass du deine Teilnahme zugesagt hast.«
»Also, wenn das ein Problem ist, muss sich Sandy eben ein Taxi nehmen«, hatte Roger gesagt, und dem Major war zu seinem Entsetzen klargeworden, dass es seinem Sohn nichts ausmachen würde, seine Verlobte von einem der Taxis aus der Gegend zum Ball transportieren zu lassen, deren Inneres nikotingelb verfärbt und zerrissen war und bei deren ruppigen Fahrern man nie wusste, ob sie nüchterner waren als ihre Passagiere. Deshalb hatte er sich bereit erklärt, sie mitzunehmen.
»Tut mir leid, dass Roger mich jetzt Ihnen aufgebürdet hat.« Sandy schloss die Augen und lehnte sich zurück. »Ich wollte schon daheimbleiben, aber das wäre zu einfach.« Der scharfe Unterton in ihrer Stimme schuf zwischen allen dreien ein fast greifbares Unbehagen.
»Sie und Ihr Verlobter sind hoffentlich glücklich mit dem Cottage«, sagte Mrs. Ali.
Der Major, der alle Befürchtungen in Hinblick auf den Abend erfolgreich verdrängt hatte, machte sich plötzlich Sorgen wegen Roger und dessen Talent, kaum kaschierte Ungezogenheiten zu begehen.
»Es ist wunderschön geworden«, antwortete Sandy. »Allerdings nur gemietet – wir haben nicht vor, unser Herz dranzuhängen.«
Der Major sah im Rückspiegel, dass sie sich noch tiefer in die Falten ihres Mantels verkroch. Sie blickte starr zum Fenster hinaus, wo nur die Dunkelheit an die Scheibe drückte. Auf der restlichen Fahrt herrschte Schweigen.
Der Golfclub hatte das gewohnte diskrete Flair komplett abgestreift und funkelte und glitzerte auf seiner kleinen Anhöhe wie eine nuttig zurechtgemachte Witwe im Billigurlaub auf Teneriffa. In jedem Fenster, jeder Tür brannte Licht. Scheinwerfer tauchten die schlichte Stuckfassade in Helligkeit, und in den Bäumen und Sträuchern tanzten Lichterketten.
»Sieht aus wie ein Kreuzfahrtschiff«, sagte Sandy. »Dabei habe ich ihnen gesagt, sie sollen es nicht übertreiben mit den Scheinwerfern.«
»Hoffentlich halten die Sicherungen durch«, meinte der Major, als sie auf der von lodernden Fackeln gesäumten Kiesauffahrt zum Clubhaus gingen. Als sie um die Ecke bogen, stand da zu ihrer Verwunderung ein halbnackter Mann mit Augenmaske, der eine riesige Pythonschlange um den Hals trug. Ein weiterer Mann sprang am Rand der Auffahrt hin und her und blies verzückt in eine Holzflöte. Zwischen zwei fünfzig Jahre alten Rhododendronsträuchern stand ein dritter und schluckte mit der Lässigkeit eines chipsessenden Taxifahrers kleine brennende Stäbe.
»Mein Gott, der reinste Zirkus!«, sagte der Major, als sie sich dem Brunnen näherten, der orangerot angestrahlt und mit Seerosen in den heftigsten Farben gefüllt war.
»Die Seerosen sind wohl eine Leihgabe von Mr. Rasool«, sagte Mrs. Ali und schaffte es gerade noch, ein Kichern zu unterdrücken.
»Ich war mal auf einer Hochzeit in New Jersey, da hat es ganz genauso ausgesehen«, erzählte Sandy. »Dabei habe ich Roger noch davor gewarnt, die Grenze zwischen Üppigkeit und Geschmacklosigkeit zu überschreiten.«
»Das war dann aber Ihr Fehler, meine Liebe«, warf der Major ein. »Es handelt sich nämlich bei beidem um ein und dasselbe.«
»Touché!«, sagte Sandy. »Hören Sie – ich gehe schon mal vor und suche Roger. Ihr beide sollt euren sensationellen Auftritt zu zweit haben!«
»Nein, ich bitte Sie …«, rief der Major noch, aber Sandy lief schon die Treppe hoch und betrat das gleißende Innere des Gebäudes.
»So eine nette junge Dame«, sagte Mrs. Ali leise. »Ist sie immer so bleich?«
»Das weiß ich nicht, dazu kenne ich sie nicht gut genug«, antwortete der Major, peinlich berührt, weil sein Sohn ihn von sich und ihr ferngehalten hatte. »Wagen wir uns in die Höhle der Löwen?«
»Ja, das ist jetzt wohl der nächste Schritt.«
Mrs. Ali machte jedoch keine Anstalten, sich zu bewegen, sondern verharrte genau an der Stelle, an der sich die Lichtstrahlen auf dem Kies bündelten. Auch der Major, der ihren leichten Druck gegen seinen Arm spürte, blieb stehen. Ihr ganzer Körper war völlig reglos, beide Füße
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