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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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alles über Hinduismus gelernt, als sie sich in den sechziger Jahren mit den Beatles in Indien aufhielt – hatte ihnen für das Fest ein paar Gesänge und grundlegende Armdehnungsübungen beigebracht. Darüber hinaus waren die Weltreligionen durch in der Sonntagsschule entstandene Bilder von fremdländischen Kindern sowie durch besagte Reggae-Darbietung vertreten gewesen.
    »Lach nicht«, sagte der Pfarrer. »Den Leuten haben diese Burschen sehr gut gefallen. Zum nächsten Sommerfest laden wir sie wieder ein.«
    »Ihr hättet auch Mrs. Ali einladen können«, entgegnete der Major. »Sie die Tombola leiten lassen können.«
    »Ich weiß, du hast das Gefühl, eine … Freundin verloren zu haben.« Der Pfarrer hatte vor dem Wort so lang gezögert, als wäre der Major in eine heiße Affäre verstrickt gewesen. »Aber es ist besser so, glaub mir.«
    »Was soll das heißen?«
    »Gar nichts, eigentlich. Ich versuche nur zu sagen, dass ich immer wieder miterlebe, dass Menschen solche Beziehungen eingehen – unterschiedlicher sozialer Hintergrund, unterschiedliche Glaubenszugehörigkeit und so weiter –, als wäre es keine große Sache. Sie wollen den Segen der Kirche, und dann: ab in den Sonnenuntergang, als ob das Ganze ein Kinderspiel wäre.«
    »Vielleicht sind sie einfach bereit, die Feindseligkeit der Unwissenden zu ertragen.«
    »Ja, sicherlich. Bis sich herausstellt, dass die Feindseligkeit von der Mutter kommt, oder die Großmutter streicht sie aus dem Testament, oder die Freunde vergessen, sie zu irgendeinem Fest einzuladen. Dann kommen sie zu mir und weinen sich aus.« Er blickte den Major gequält an. »Und dann soll ich ihnen versprechen, dass Gott sie alle gleichermaßen liebt.«
    »Was er also nicht tut, nehme ich an.«
    »Natürlich tut er das. Aber das heißt nicht, dass beide errettet werden. Ich soll ihnen versprechen, dass sie im Himmel zusammen sein werden, dabei kann ich ihnen in Wahrheit nicht einmal ein gemeinsames Grab auf dem Friedhof anbieten. Sie erwarten, dass ich Jesus kleinrede, als wäre er nur eine von vielen verfügbaren Optionen.«
    »Wie eine Art spiritueller Baukasten?«
    »Genau.« Der Pfarrer warf einen Blick auf die Uhr, und der Major hatte den starken Eindruck, dass er überlegte, ob es noch zu früh für einen Drink wäre. »Oft denke ich, sie glauben eigentlich an gar nichts und wollen sich nur selbst beweisen, dass ich eigentlich auch an nichts glaube.«
    »So habe ich dich noch nie reden hören«, sagte der Major. Der Pfarrer wirkte ein bisschen mitgenommen, so als würde er seinen Ausbruch bereits bereuen.
    »Ich lege mal die Karten offen auf den Tisch, Ernest«, sagte er. »Meine Frau war in Tränen aufgelöst nach diesem blöden Ball. Sie weiß nicht recht, ob sie nicht vielleicht unhöflich war.« Er stockte. Beiden Männern war klar, dass dieses Eingeständnis, auch wenn es nicht annähernd weit genug ging, aus Daisys Mund etwas Besonderes darstellte.
    »Ich bin nicht derjenige, bei dem man sich entschuldigen müsste«, sagte der Major schließlich.
    »Mit dieser Last wird meine Frau zu leben haben. Aber ich habe ihr gesagt, dass sich Reue am besten beweist, indem man das Unrecht nicht zusätzlich mit einer Lüge verschlimmert.« Er blickte den Major mit einer solchen Entschlossenheit an, dass seine Kieferknochen hervortraten. »Und deshalb will ich nicht hier sitzen und so tun, als wünschte ich, alles wäre anders gekommen.«
    Die Stille schien bis zu den Wänden des Altarraums zu reichen und an das Rosettenfenster zu prallen. Beide Männer saßen reglos da. Der Major dachte, dass er jetzt wütend sein müsste, aber er war nur erschöpft von der Erkenntnis, dass die Leute über ihn und Mrs. Ali geredet und sie so großes Aufsehen erregt hatten, dass der Pfarrer ihm seine Meinung mitteilte, obwohl die Sache die ganze Zeit nur hypothetisch gewesen war.
    »Ich habe dich verärgert«, sagte Pater Christopher schließlich und erhob sich von der Bank.
    »Ich will nicht so tun, als wäre es anders«, erklärte der Major. »Ich weiß deine Offenheit zu schätzen.«
    »Ich finde, du hast Aufrichtigkeit verdient. Die Leute sprechen es zwar nie offen aus, aber du weißt ja, dass solche Dinge in einer kleinen Gemeinde wie der unseren problematisch sind.«
    »Dann wirst du also keine Predigt über diesen Fall von theologischer Unverträglichkeit halten?«, fragte der Major. Er verspürte keinen Zorn, nur eine ruhige, eisige innere Distanz, als würde dieser Mann, der nicht nur ein

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