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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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Ali. »Ich möchte zu meiner Familie.«
    »Du kannst jetzt unmöglich gehen, Dad«, flüsterte ihm Roger eindringlich zu. »Das wäre der Gipfel der Ungezogenheit gegenüber Dagenham.«
    »Erlauben Sie mir wenigstens, Sie hinauszubegleiten«, rief der Major Mrs. Ali nach.
    Während er hinter ihr herlief, hörte er Sadie Khan etwas sagen. Daisys kristallklar gesprochene Erwiderung übertönte die Musik und das Stimmengewirr: »Natürlich wären Sie wesentlich besser geeignet, meine Liebe, aber wir haben einfach schon zu viele Anmeldungen aus dem medizinischen Bereich, und der Club ist sehr darum bemüht, die Mitgliedervielfalt zu fördern.«
     
    Die vielen Sterne draußen in der kalten Nacht machten die Schmerzlichkeit des Augenblicks noch größer. Mrs. Ali blieb auf der obersten Stufe stehen. Der Major stellte sich neben sie. Er brachte vor Scham über seine eigene Dummheit kein Wort heraus.
    »Immer reden wir im Freien miteinander«, sagte sie nach einer kleinen Weile.
    Die Kälte machte ihren Atem sichtbar, und ihre Augen glitzerten, vielleicht weil Tränen darin standen.
    »Ich habe alles vermasselt«, sagte er.
    Unter ihnen gingen Abdul und Amina streitend die Auffahrt hinunter.
    »Ich war auch kurz davor«, sagte sie. »Jetzt weiß ich, was ich zu tun habe. Ich muss dem Familienstreit ein Ende bereiten und dafür sorgen, dass die beiden sich versöhnen.«
    »Sie sind so unterschiedlich«, meinte der Major. »Glauben Sie, dass sie miteinander leben können?«
    »Schon komisch, was?«, murmelte sie. »Da hat ein Paar außer der Hautfarbe und der Heimat der Vorfahren keinerlei Gemeinsamkeiten, aber für alle anderen passen die beiden wunderbar zueinander.«
    »Ja, das ist ungerecht«, sagte er. »Aber so muss es doch nicht sein.«
    »Sie mögen zwar über einige wichtige Themen unterschiedlich denken, aber die kleinen Dinge, die ihre Kultur ausmachen, teilen sie ganz selbstverständlich miteinander. Vielleicht habe ich dem nicht genug Gewicht beigemessen.«
    »Darf ich Sie morgen besuchen?«
    »Besser nicht. Ich habe morgen viel zu tun, ich muss den Umzug zur Familie meines Mannes vorbereiten.«
    »Das ist doch hoffentlich nicht Ihr Ernst! Einfach so? Und was ist mit unseren sonntäglichen Lesenachmittagen?«
    »Jedes Mal, wenn ich Kipling lese, werde ich an Sie denken, Major.« Sie lächelte ihn traurig an. »Danke, dass Sie versucht haben, ein Freund zu sein.« Sie reichte ihm die Hand, und er hob sie wieder an seine Lippen. Nach ein paar Sekunden zog sie sie sanft weg und ging zur Auffahrt hinunter. Er wäre ihr so gern nachgelaufen, aber er blieb wie gelähmt im Eingangslicht stehen. Drinnen spielte die Musik, dort warteten die Leute auf ihn.
    »Ich könnte ganz früh vorbeikommen«, rief er ihr nach. »Dann könnten wir reden.«
    »Gehen Sie zurück zu Ihrem Fest, Major. Sie erkälten sich noch, wenn Sie so lange hier draußen stehen.« Sie lief die Auffahrt hinunter, und während ihr blaues Kleid in die tiefe Nacht hinein verschwand, wurde ihm klar, dass er ein Idiot war. Aber in diesem Augenblick schaffte er es nicht, anders zu sein.

[home]
    Achtzehntes Kapitel
    M rs. Ali verließ das Dorf. Der Major sah sie nicht abreisen. Er hatte vorgehabt, zum Laden zu gehen und sie zu besuchen, doch die Wut und die Verzweiflung über den von ihm verpfuschten Abend waren in die von ihr so sorglos prophezeite Erkältung umgeschlagen, und er lag drei Tage lang flach. Während er in seinem zerknitterten Schlafanzug mit ungeputzten Zähnen vor sich hin dämmerte, das Klingeln des Telefons und das quälende Ticken des Weckers ignorierte, fuhr Mrs. Ali in den Norden zur Familie ihres Mannes, und als er genug Kraft hatte, um ins Dorf hinunterzugehen, war es zu spät.
    Der Major legte sich wieder ins Bett und wappnete sich gegen die Glitzerorgie, zu der Weihnachten geworden war. Und das in einem Land, in dem man seiner Erinnerung nach einmal für ein paar neue Wollsocken und einen Christmas Pudding mit mehr Rosinen als Karotten Dankbarkeit empfunden hatte. Jeden Tag erwachte er mit der Hoffnung, sich ganz von seiner Krankheit erholt zu haben, aber der trockene Husten und die ständige Abgeschlagenheit wollten nicht weichen. Die blecherne Musik in den Geschäften und auf den Straßen ging ihm fast bis zum Zusammenbruch auf die Nerven. Je mehr die Leute in der Stadt sangen und lachten, sich und ihre Kreditkarten mit Tüten voller Geschenke, Bierkästen und Fresskörben mit Unverdaulichem aus aller Herren Ländern belasteten,

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