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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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    Neunzehntes Kapitel
    Z uerst dachte er, sie wären nicht zu Hause. Im Fenster des Cottages brannte nur eine einzige Lampe, wie Leute sie beim Weggehen anlassen, um Einbrecher abzuschrecken und bei der Rückkehr nicht im Finstern herumzustolpern. Die Diele und das obere Stockwerk lagen im Dunkeln, und weder das Flackern eines Fernsehers noch Musik aus einer Stereoanlage zeugten von Leben.
    Der Major klopfte trotzdem an und hörte daraufhin zu seiner Verwunderung, dass ein Stuhl verrutscht wurde und sich Schritte näherten. Mehrere Riegel wurden zurückgeschoben, die Tür ging auf, und dahinter kam Sandy zum Vorschein, in Jeans und weißem Pullover, in der Hand einen großen, eindrucksvollen Klebebandabroller. Sie war blass und sah unglücklich aus. Ihr Gesicht war völlig ungeschminkt, und ihre Haare ragten in Büscheln aus dem zusammengerollten Tuch, das sie als Stirnband trug.
    »Nicht schießen!«, sagte er und hob ein wenig die Hände.
    »Entschuldigen Sie. Kommen Sie rein.« Sie legte den Abroller auf einen kleinen Konsolentisch und ließ den Major in die warme Diele eintreten. »Roger hat mir nicht gesagt, dass Sie kommen.« Sie umarmte ihn, was er verwirrend, aber nicht unangenehm fand.
    »Er wusste es auch gar nicht«, sagte der Major und hängte seinen Mantel an einen Haken aus irgendeinem gebleichten Tierknochen. »Ein ganz spontaner Besuch. Ich war gerade in der Gegend einkaufen und dachte, ich liefere ein paar Geschenke ab und wünsche schon mal Fröhliche Weihnachten.«
    »Roger ist nicht da. Aber wir beide könnten doch zusammen etwas trinken?«
    »Ein trockener Sherry wäre schön.« Er trat in das sehr spärlich möblierte Wohnzimmer und blieb abrupt stehen, um die monströse schwarze Flaschenbürste zu betrachten, die seiner Meinung nach nichts anderes als ein Weihnachtsbaum sein konnte. Er reichte bis zur Decke, war ausschließlich mit silbernen Kugeln in abgestuften Größen behängt und wurde von den Glasfaserspitzen seiner zahlreichen Äste in Wellen blauen Lichts getaucht. »Großer Gott, ist das die Weihnachtshölle?«
    »Roger hat darauf bestanden. Gilt als ausgesprochen stilvoll«, erklärte Sandy, während sie eilig eine Fernbedienung in Richtung Kamin hielt, wo sofort aus einem mit weißen Kieseln gefüllten Feuerkorb Flammen schlugen. »Ich hätte es hier ja gern ein bisschen traditioneller gehabt, aber das Ding hat ein Vermögen gekostet, und nächstes Jahr ist es out – da habe ich es einfach ins Auto geworfen und mitgebracht.«
    »Ich bin zwar normalerweise sehr für sparsames Haushalten …«, sagte der Major vorsichtig, während Sandy ihm einen großen Sherry auf so viel Eis einschenkte, dass es sehr schnell zu trinken galt, um der völligen Verwässerung vorzubeugen.
    »Ja, ja, er ist scheußlich.«
    »Sie könnten ihn im Frühling als Schornsteinfegerbürste vermieten.«
    »Tut mir leid, dass wir es nicht geschafft haben, Sie schon früher hierher einzuladen.« Sie winkte ihn zu der niedrigen weißen Ledercouch hinüber. Das Möbel hatte eine zierliche abgerundete Rückenlehne und keine Armlehnen und erinnerte an die gepolsterten Bänke in einem Geschäft für Damenschuhe. »Roger wollte, dass erst alles fertig ist, bevor er beginnt, damit anzugeben, und dann kamen Unmengen von Dinnerpartys bei Bankerkollegen und so dazwischen.« Sie sprach sehr leise und tonlos, und der Major fragte sich besorgt, ob ihr nicht gut sei, weil sich daraus ungeahnte Auswirkungen auf das Weihnachtsessen am nächsten Tag ergeben konnten. Sie schenkte sich ein großes Glas Rotwein ein und verschränkte ihre langen Beine kunstvoll auf einem offenbar mit Pferdefell bezogenen Designerstuhl. Dann machte sie eine Handbewegung, die den ganzen Raum umfasste, und der Major versuchte, alles auf sich wirken zu lassen: den kurzen weißen Teppichflor, den holzgerahmten Glastisch und die Stehlampe, die mit ihren verschiedenfarbigen Schirmblenden aus Metall an eine Behelfsampel erinnerte.
    »Erspart wohl viel Staubwischen, dieser Minimalismus«, sagte er. »Die Böden wirken sehr sauber.«
    »Wir haben sieben Schichten Linoleum weggekratzt und so viel Lack abgeschliffen, dass ich schon dachte, wir nehmen auch noch das Holz selbst mit«, sagte sie, den Blick auf die breiten, in hellem Honiggelb gehaltenen Dielen gerichtet. »Unser Bausanierer meint, die halten jetzt ein Leben lang.«
    »Viel Aufwand für ein gemietetes Haus.« Der Major hätte gern etwas Schmeichelhafteres gesagt und ärgerte sich

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