Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
erlauben dürfen, bei den Pfadfindern auszutreten!«
»Wollen Sie jetzt essen, oder sollen wir das Ganze abblasen?«, fragte Grace. »Ich kann auch alles in den Kühlschrank stellen.«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, erwiderte der Major, »gestehe ich, dass ich diesen grauenhaften Weihnachtsbaum keine Minute länger ertrage. Was halten Sie davon, alles in Folie zu packen und nach Rose Lodge umzuziehen? Da hätten wir echtes Feuer und einen kleinen, aber lebenden Weihnachtsbaum und könnten gemeinsam schön essen.«
»Das wäre wunderbar«, sagte Grace. »Allerdings sollten wir vielleicht etwas für Roger dalassen, wenn er zurückkommt.«
»Ich lasse ihm eine Nachricht mit dem Vorschlag da, er soll den anderen Truthahnflügel suchen«, gab der Major düster zurück. »Dann hat er alles in einem – Essen und Partyspiele.«
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Zwanzigstes Kapitel
K urz nach Neujahr gestand sich der Major ein, dass er dabei war, der Unausweichlichkeit von Grace allmählich nachzugeben. Ihre Beziehung hatte langsam, aber beharrlich eine ähnliche Schwerkraft entwickelt wie die, mit der ein Planet einen defekten Satelliten anzieht, und in seiner Traurigkeit hatte er dieses allmähliche Aufeinanderzudriften zugelassen. Nach dem gemeinsamen Weihnachtsessen, in dessen Verlauf er im Übermaß sowohl mit Champagner als auch mit Entschuldigungen aufgewartet hatte, war er nicht eingeschritten, als sie ihm am zweiten Feiertag eine kalte Wildpastete in Aspik vorbeibrachte. Dann hatte er ihre Einladung zu einem »ruhigen, frühen Silvesteressen« angenommen und seinerseits zwei Gegeneinladungen zum Tee ausgesprochen.
Sie hatte den Rohentwurf einer Einleitung für das schmale Buch mitgebracht, in dem sie ihre Nachforschungen über alteingesessene Familien zusammenstellen wollte, und fragte ihn mit zitternder Stimme, ob er bereit sei, einen Blick darauf zu werfen. Er hatte eingewilligt und angenehm überrascht festgestellt, dass sie einen ziemlich guten, eher journalistischen Stil hatte. Ihre Sätze waren schlicht, verzichteten jedoch sowohl auf akademische Trockenheit als auch auf eine Überfülle von blumigen Adjektiven, wie man sie bei einer Amateurhistorikerin vielleicht befürchtet hätte. Mit seiner Hilfe, glaubte er, würde sie das Buch in kleinem Rahmen publizieren können, und er freute sich auf die gemeinschaftliche Arbeit in den dunklen Wintermonaten.
An diesem Abend jedoch war er schon zum zweiten Mal innerhalb einer Woche von ihr zum Essen eingeladen und hatte zugesagt. Und diese Tatsache, das wurde ihm jetzt klar, verdiente es, in Hinblick auf seine eigenen Absichten genauer unter die Lupe genommen zu werden.
»Ich habe heute Amina und den kleinen George im Bücherbus getroffen. Sie haben sich ganz fürchterliche Sachen ausgesucht«, erzählte Grace, während sie gedünsteten Schellfisch, Petersilienkartoffeln und Wintersalat mit selbstgemachtem Dressing aßen. »Ich weiß wirklich nicht, wie man einem Kind anhand eines Aufklappbuchs mit Töpfchen-Monstern das Lesen beibringen will.«
»Allerdings«, pflichtete ihr der Major bei, der gerade damit beschäftigt war, dicke goldgelbe Sultaninen aus seinem Salat zu fischen. Die gehörten zu den wenigen Dingen, die er nicht ausstehen konnte, und bei Grace fühlte er sich ungezwungen genug, um sie zu entfernen. Sie sagte nichts dazu, aber er war sicher, dass sie die Sultaninen das nächste Mal weglassen würde.
»Ich habe die Bibliothekarin gebeten, die Ausleihe strenger zu kontrollieren«, fuhr Grace fort. »Da meinte sie, ich könnte das Ganze ja übernehmen, wenn es mir nicht gefällt, und ich sollte dankbar sein, dass es nicht nur DVD s gibt.«
»Das war aber sehr unhöflich von ihr!«
»Na ja, ich hatte es nicht anders verdient. Es ist so viel einfacher, anderen zu sagen, wie sie ihre Arbeit zu machen haben, als die eigenen Unzulänglichkeiten zu beheben.«
»Wenn ein Mensch so wenige Unzulänglichkeiten hat wie du, Grace, dann hat er eben die Muße, sich umzusehen und Vorschläge zu machen.«
»Du bist sehr liebenswürdig, Ernest, und ich finde, auch du bist völlig in Ordnung, so, wie du bist.« Sie stand auf, um die leeren Teller in die Küche zu bringen. »Und außerdem braucht jeder ein paar Schwächen, sonst ist man kein richtiger Mensch.«
»Touché«, sagte der Major.
Nach dem Abendessen saß er in einem Lehnstuhl, während sie in ihrer kleinen Küche mit dem Geschirr klapperte und Tee machte. Sie wollte nicht, dass er ihr half, und sich durch die
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