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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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kleine, mit einem Rollladen aus Kiefernholz versehene Durchreiche in der Wand zu unterhalten, war schwierig; deshalb döste er ein wenig, wie hypnotisiert von den wilden blauen Flammenkegeln des Gasfeuers.
    »Jedenfalls hat Amina gesagt, dass Jasmina nicht zur Hochzeit kommt«, sagte Grace.
    Er riss die Augen auf. Er wusste, dass er einen wesentlich längeren Satz zwar gehört, aber nicht erfasst hatte, zu dem diese Mitteilung nur eine Anmerkung darstellte. »Entschuldigung«, sagte er, »das habe ich akustisch nicht verstanden.«
    »Ich habe gesagt, dass ich gehofft hatte, Jasmina wiederzusehen, wenn sie zur Hochzeit kommt. Als sie mir schrieb, habe ich gleich zurückgeschrieben und sie gebeten, mich doch bitte zu besuchen.« Ihr Gesicht verschwand wieder von der Durchreiche. Gleich darauf ertönten die Quietsch- und Klicklaute der in Gang gesetzten Geschirrspülmaschine.
    »Sie hat dir geschrieben?«, fragte er in den Raum hinein. Grace antwortete nicht; sie hatte damit zu tun, ein Silbertablett, das zu breit für ihren schmalen, verwinkelten Flur war, ins Wohnzimmer zu tragen. Er ging zur Tür und nahm ihr das Tablett ab, das sie erst herumdrehen musste, damit es zwischen den Türpfosten hindurchgezwängt werden konnte.
    »Ich sollte mir wirklich mal ein schönes kleines Kunststofftablett anschaffen«, sagte sie. »Das da ist wahnsinnig unpraktisch, aber es ist so ziemlich das Einzige, was ich von den Sachen meiner Mutter behalten habe.«
    »Sie hat dir geschrieben?« Der Major versuchte, seine Stimme gleichgültig klingen zu lassen, obwohl ihm der plötzliche Schmerz, den die Mitteilung ihm bereitete, die Kehle zuschnürte. Er konzentrierte sich auf die Aufgabe, das Tablett innerhalb der erhöhten Messingumrandung des Couchtisches abzusetzen.
    »Sie hat mir gleich nach ihrer Abreise geschrieben und sich entschuldigt, weil sie weggegangen war, ohne sich zu verabschieden. Ich habe ihr zurückgeschrieben und ihr dann eine Weihnachtskarte geschickt – eine ohne irgendwelche religiösen Motive natürlich –, aber seitdem kam nichts mehr.« Grace strich sich den Rock glatt. »Hast du etwas von ihr gehört?«, fragte sie, und er fand, dass sie ein bisschen zu starr dastand, während sie auf die Antwort wartete.
    »Ich habe überhaupt nie etwas von ihr gehört.« Das Gasfeuer gab einen Laut von sich, der wie ein böses Zischen klang.
    »Irgendwie ist das alles ein bisschen merkwürdig«, sagte Grace und dann, nach einigen Sekunden des Schweigens: »Du vermisst sie immer noch.«
    »Wie bitte?«, fragte er, nach einer passenden Erwiderung suchend.
    »Du vermisst sie«, wiederholte Grace und sah ihn unverwandt an. Sein Blick schwankte. »Du bist nicht glücklich.«
    »Es ist müßig, darüber zu sprechen«, gab der Major zurück. »Sie hat eine eindeutige Entscheidung getroffen.« Er hoffte, dass das ausreichte, um das Thema zu beenden, aber Grace trat ans Fenster, zog die Gardine auf und sah in die eintönige Nacht hinaus. »Da fühlt man sich völlig machtlos«, gab er zu.
    Das Zimmer beengte ihn. Die ovale Kaminuhr tickte weiter, als hätte sich an der Atmosphäre im Raum nicht das Geringste verändert. Von der Blümchentapete, die er als heimelig empfunden hatte, wehte jetzt Staub auf den tristen Teppich. Die Teekanne wurde kalt, und er spürte förmlich, dass die Sahne im Milchkännchen auszuflocken begann. Plötzlich packte ihn das reine Grauen bei der Vorstellung, sein Leben könnte in lauter solche Zimmer gepfercht werden.
    »Ich habe das Gefühl, dass sie dort nicht glücklich ist«, sagte Grace. »Du solltest auf dem Weg nach Schottland bei ihr vorbeischauen. Du fährst doch bald zu irgendeiner Jagd, nicht wahr?«
    »Ich habe kein Recht, mich einzumischen.«
    »Schade, dass du dort nicht einfach reinstürmen und sie zurückholen kannst. Dann wärst du ihr wahrer Retter in der Not.«
    »Das Leben ist kein Hollywoodfilm«, blaffte er sie an. Er fragte sich, warum sie ihn so drängte. Merkte sie denn nicht, dass er bereit war, ihr seine Zuneigung zu gestehen?
    »Ich habe dich immer bewundert, weil du ein so vernünftiger Mann bist«, sagte sie. »Manchmal machst du zwar partout den Mund nicht auf, aber meistens merke ich, dass du weißt, was zu tun ist.« Er spürte, dass jetzt wahrscheinlich kein Kompliment kommen würde. Dann aber fing sie sich gerade noch; sie seufzte und sagte: »Aber vielleicht weiß ja in Wirklichkeit keiner von uns, was zu tun ist.«
    »Und du bist eine vernünftige Frau«, sagte er. »Ich

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