Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
glatt. »Ein Cottage auf dem Land ist ein gefährlicher Traum, Major. So, und wenn Sie nichts dagegen haben, packe ich jetzt zu Ende.«
»Kann ich wirklich nichts dazu tun, damit das wieder in Ordnung kommt?«, fragte der Major. »Soll ich hinfahren und ihn holen? Mein Sohn ist in vieler Hinsicht ein Idiot, aber ich weiß, dass Sie ihm wichtig sind, und – nun ja, wenn Sie ihn gehen lassen, dann müssen wir Sie gehen lassen, und dann ist jeder von uns dreien einsamer als zuvor.« Er hatte das Gefühl, allein am Kai zurückzubleiben, während alle anderen um ihn herum sich lieber ohne ihn auf die Reise begaben. Dass er stets zurückblieb, empfand er nicht als einen Verlust, sondern als eine Ungerechtigkeit.
»Nein, lassen Sie nur«, sagte Sandy. »Es ist alles entschieden. Wir müssen beide wieder das tun, was wir nun mal tun.« Sie hielt ihm die Hand hin, und als er sie ergriff, beugte sie sich zu ihm vor und küsste ihn auf beide Wangen. Ihr Gesicht war feucht, und ihre Hände fühlten sich kalt an. »Wenn ich meinen Anschlussflug in New York kriege, kann ich mit unseren russischen Freunden ein paar Tage in Las Vegas verbringen. Wird langsam Zeit, dass wir das Zentrum der Modewelt nach Moskau verlegen, was?« Sie lachte, und der Major sah, dass sie darauf vertraute, mit frischem Make-up, einem sauberen Hosenanzug und der Fürsorge der First-Class-Crew jeden Riss in ihrem Herzen kitten und einfach weitermachen zu können.
»Ich beneide Sie um Ihre Jugend«, sagte er. »Ich hoffe, es gelingt Ihnen eines Tages, glücklich zu sein auf dieser Welt.«
»Und ich hoffe, Sie finden jemanden, der Ihnen Ihren Truthahn brät«, erwiderte Sandy. »Dass Sie sich auf Roger nicht verlassen dürfen, wissen Sie ja.«
Am Weihnachtstag erwachte der Major mit dem Gefühl, den absoluten Tiefpunkt, die Antarktis seiner Tatkraft erreicht zu haben. Nachdem er aufgestanden war, trat er ans Fenster, legte die Stirn an die kalte Scheibe und blickte in den düsteren Nieselregen hinaus, der über dem Garten niederging. In der Weide hinter Rose Lodge waren nun Löcher zu sehen, und an seiner Hecke parkte – als hätte der Fahrer versucht, dem massigen, rostigen Ding ein wenig Geborgenheit zu verschaffen – eine große Baumaschine mit langem Arm, irgendeine Maschine, mit der man Probebohrungen vornehmen konnte. Im unablässigen Regen ließen die Bäume ihre Äste hängen, und in den Ritzen zwischen den Pflastersteinen floss zäh der Schlamm, als würde die Erde schmelzen. Es passte so gar nicht zum Tag des Jubels über eine Geburt, die der Welt einen neuen Weg zu Gott verheißen hatte …
Der Morgen begann mit der heiklen Frage, wie früh er Roger anrufen konnte. Es musste bald geschehen, aber welcher noch so mutige Mann riss sich darum, einen Zecher, den sein Kater quälte und der unter dem Verlust seiner Liebsten litt, aus dem Schlaf zu klingeln, um ihm zu erklären, dass der Ofen für den Truthahn auf 200 °C vorgeheizt sein musste und die Innereien nicht zu lang gekocht werden durften, weil sie sonst trocken wurden? Am liebsten hätte er überhaupt nicht angerufen, aber erstens wollte er Rogers Blamage nicht vor Grace ausbreiten, und zweitens wollte er sein Weihnachtsessen. Zusätzlich kompliziert wurde die Sache, weil er nicht wusste, wie groß der Vogel war, den Roger und Sandy gekauft hatten. Er riskierte die Annahme, dass alles über fünfzehn Pfund die beiden eingeschüchtert hätte, und wartete bis zum allerletzten Moment – halb neun. Dann griff er zum Telefon. Er musste noch dreimal neu wählen; erst dann ertönte am anderen Ende der Leitung eine heisere Stimme.
»Hallo«, flüsterte Roger krächzend und wie aus weiter Ferne.
»Roger, hast du den Truthahn schon in den Ofen geschoben?«
»Hallo«, wiederholte die Stimme. »Wer, wer zum … Welcher Tag ist heute?«
»Der vierzehnte Januar«, sagte der Major. »Ich glaube, du hast verschlafen.«
»Was zum …«
»Es ist Weihnachten und schon nach halb neun. Du musst aufstehen und den Truthahn in die Röhre schieben, Roger.«
»Ich glaube, der ist im Garten.« Der Major hörte ein undeutliches Geräusch, das darauf schließen ließ, dass Roger sich gerade übergab. Angeekelt hielt er das Telefon von sich weg.
»Roger?«
»Ich glaube, ich habe den Truthahn aus dem Fenster geworfen. Oder durch das Fenster. Es zieht so hier drin.«
»Dann geh raus und hol ihn!«
»Sie hat mich verlassen, Dad.« Rogers Stimme war jetzt nur mehr ein schwaches Winseln. »Als ich
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