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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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die Schultern hoch, um sich vor der Kälte und vor seinen eigenen Schwächen zu schützen, und trat in die Nacht hinaus.
     
    Roger mitzuteilen, dass die Fahrt nach Schottland einen Abstecher zu Mrs. Ali beinhalten würde, ließ sich unmöglich am Telefon bewerkstelligen. Deshalb klopfte der Major am Sonntag vor der Abreise leise an die Tür von Rogers Cottage. Es herrschte noch immer strenger Frost, und die Sonne stand nur wie ein vages Versprechen am vormittäglichen Himmel. Er hauchte in die Hände und stampfte mit den Füßen, um die Kälte zu vertreiben, während er bestürzt die Blumenkästen mit den von Weihnachten übrig gebliebenen verwelkten Stechpalmenzweigen und abgestorbenen weißen Rosen betrachtete. Die Fenster waren schmierig, und auch der Schmutz auf der Türstufe deutete darauf hin, dass sich, seit Sandy weg war, niemand mehr um das Haus kümmerte.
    Er klopfte noch einmal. Es hallte in den Hecken wider wie ein Pistolenschuss. Dann sah er im Cottage gegenüber einen Vorhang zucken. Schritte, Gepolter und ein leise gemurmelter Fluch eilten Roger voraus. Er öffnete die Tür in einem Flanell-Schlafanzug, trug Socken und Badelatschen und hatte sich eine Daunendecke um die Schultern gelegt.
    »Bist du noch nicht auf?«, fragte der Major gereizt. »Es ist elf Uhr.«
    »’tschuldigung, bin bisschen verkatert.« Roger ließ die Tür weit offen und schlurfte ins Wohnzimmer zurück, wo er sich stöhnend auf die Couch plumpsen ließ.
    »Ist das jetzt dein Normalzustand?«, fragte der Major und sah sich im Zimmer um. Auf dem Couchtisch standen mit eingetrockneter Sauce verschmierte Styroporbehälter vom Lieferservice. Der Weihnachtsbaum sträubte sich immer noch in seiner gesamten schwarzen Gruseligkeit, aber der Ständer war völlig verstaubt. Couch und Sitzbank waren aus ihrer rasiermesserscharfen Anordnung gerutscht und standen, nicht weniger benommen als Roger, schräg auf dem Teppich. »Es ist eine Schande, wie es hier aussieht, Roger!«
    »Nicht schreien. Bitte nicht schreien«, sagte Roger und hielt sich die Ohren zu. »Ich habe das Gefühl, ich blute aus den Ohren.«
    »Ich schreie nicht«, korrigierte ihn der Major. »Du hast bestimmt noch nicht gefrühstückt, oder? Zieh dich an, dann räume ich währenddessen auf und mache Toast für dich.«
    »Das Aufräumen kannst du dir sparen. Morgen kommt die Putzfrau.«
    »Was du nicht sagst«, erwiderte der Major. »Na, die freut sich bestimmt auf jeden Montag!«
    Nachdem Roger das gesamte Warmwasser aufgebraucht und dabei, dem Geruch nach, irgendein teures, ohne jeden Zweifel in einem glänzenden Aluminiumbehälter mit modischem Design befindliches Herren-Duschgel verwendet hatte, spazierte er blinzelnd in die Küche. Er trug jetzt eine enge Jeans und einen figurbetonten Pulli, war barfuß und hatte sich die Haare in breiten, steifen Bahnen nach hinten gekämmt. Der Major, der gerade dabei war, dünne Toastscheiben mit den letzten Resten eines Margarine-Ersatzes zu bestreichen, hielt kurz inne. »Wieso hast du zwar jede Menge Designer-Kleidung, aber nichts zu essen und nur saure Milch im Kühlschrank?«
    »Ich lasse mir die Grundnahrungsmittel und was man so täglich braucht aus London liefern«, erklärte Roger. »Da kommt dann ein Mädchen und räumt alles ein, wo es hingehört. Ich meine, ich habe zwar nichts dagegen, mich in einem Feinkostladen nach einem alten Gouda umzusehen, aber wer will seine Zeit schon mit dem Einkauf von Frühstücksmüsli und Geschirrspülmittel verschwenden?«
    »Wie machen das wohl andere Leute, was meinst du?«
    »Die tun wahrscheinlich ihr ganzes Leben lang nichts anderes, als mit einem kleinen Einkaufsnetz durch die Läden zu watscheln, nehme ich an. Um diese Dinge hat sich Sandy immer gekümmert, und ich hatte einfach noch keine Zeit, da ein System reinzubringen, das ist alles.« Er nahm sich eine Scheibe Toast. Der Major schenkte ihm Tee ohne Milch ein und zerteilte eine kleine, leicht verhutzelte Orange. »Könntest du vielleicht ein paar Sachen für mich einkaufen – sagen wir am Freitag?«
    »Nein«, antwortete der Major. »In meinem Einkaufsnetz ist kein Platz mehr.«
    »So habe ich es nicht gemeint. Ist da noch Aspirin im Schrank?«
    Der Major, der die Küchenschränke bereits inventarisiert und alles schmutzige Geschirr in die Spülmaschine geräumt hatte, ehe Rogers Duschgel abgeduscht gewesen war, holte eine große Packung mit Schmerztabletten heraus und spülte ein Glas für das Wasser.
    »Danke, Dad«, sagte

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