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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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Stimme.
    »Zivilisiert?«, fauchte die Alte. »Du bist verweichlicht. Verweichlicht und verdorben. Meine Nichte und ihr Mann sind von Wehleidigkeit geschwächt. Sie beklagen sich, sie schmieden ihre kleinen Pläne, aber ihrem Sohn haben sie nichts als Milde zu bieten. Und ich muss kommen und alles ins Lot bringen, obwohl ich eigentlich in meinem eigenen Garten sitzen und Feigen essen sollte.«
    »Haben sie gewusst, was du tun würdest?«, fragte Jasmina. Die alte Frau lachte. Es klang wie das Gackern eines Huhns.
    »Niemand will es wissen, aber dann, wenn zu viele Welpen im Wurf sind, wenn einer Tochter etwas im Bauch wächst – dann komme ich. Und wenn ich wieder weg bin, spricht keiner darüber, aber mir schicken sie dann eine kleine Ziege oder einen Teppich.« Sie ließ die Finger langsam die Stricknadel hinaufwandern und begann, sich an Abdul Wahid heranzuschleichen; dabei bewegte sie die Nadelspitze hin und her, als wollte sie jemanden hypnotisieren. »Sie werden heulen und schimpfen und so tun, als würden sie sich schämen, aber du wirst sehen – danach bekomme ich endlich ein eigenes Häuschen in den Bergen. Dann baue ich Feigen an und sitze den ganzen Tag in der Sonne.«
    Der Major trat hinter den Sträuchern hervor, stellte sich breitbeinig hin und legte die rechte Hand auf den Schaft des Gewehrs, das ihm noch immer gekippt über dem Arm hing. »Das reicht jetzt, Madam«, sagte er. »Ich bitte Sie, die Nadel fallen zu lassen und ganz ruhig mit uns auf die Polizei zu warten.« Die alte Frau taumelte ein paar Schritte nach hinten, fing sich aber wieder, und über ihre linke Gesichtshälfte kroch ein heimtückisches Grinsen.
    »Ah, der englische Major!«, sagte sie und fuchtelte mit der Stricknadel herum wie mit einem warnend erhobenen Zeigefinger. »Es stimmt also, Jasmina. Du bist deiner Familie weggelaufen, um Unzucht zu treiben und ein liederliches Leben zu führen.«
    »Wie können Sie es wagen!«, rief der Major, trat vor und ließ das Gewehrschloss einschnappen.
    »Im Grunde hast du völlig recht, Tante.« Jasminas Augen funkelten vor Zorn. Sie trat vor und reckte das Kinn. Ihr Haar peitschte ihr Gesicht im Wind. »Und soll ich dir sagen, wie wundervoll es war – dir, mit deinem verschrumpelten Körper und deinem verdorrten Herzen, dir, die niemals glücklich war? Willst du hören, wie es ist, wenn man nackt mit einem Mann im Bett liegt, den man liebt, und die Sinnlichkeit des Lebens spürt? Soll ich dir davon erzählen, Tante?«
    Die Alte jaulte gepeinigt auf und stürmte auf Jasmina zu, die beide Beine fest gegen den Boden stemmte, die Arme ausbreitete und keine Anstalten machte, zur Seite zu springen. Rasend vor Angst stieß der Major einen dumpfen Schrei aus, lief, das Gewehr schwingend, auf die alte Frau zu und versetzte ihr mit der Schaftkante einen Schlag auf den Kopf. Es war nur ein Streifhieb, aber ihr eigener Schwung erledigte den Rest. Sie ließ die Nadel fallen und sackte zusammen.
    Jasmina plumpste auf den Boden und begann zu lachen, ein hässliches, roboterhaftes Lachen, ein Lachen wie im Schock. Der Major bückte sich, hob die Stricknadel auf und steckte sie in die Jagdtasche.
    »Was hast du dir dabei gedacht?«, fragte er. »Sie hätte dich umbringen können.«
    »Ist sie tot?«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte der Major, bekam es dann aber doch mit der Angst zu tun, als er den ledrigen Nacken der Alten abtastete. Endlich fand er den Puls. »Soweit möglich, vermeide ich es, Damen umzubringen, auch wenn sie noch so psychotisch sind.«
     
    Gleich darauf ertönte die mittlerweile vertraute Stimme von Brian. »Sie sind ja ein prima Kämpfer!« Er kam hinter einem Busch hervor und beugte sich zu der alten Frau hinunter. »Gute Arbeit!«
    »Wo ist der andere Bursche?«, wollte der Major wissen.
    »Der hat die anderen per Funk gerufen, wartet aber immer noch auf Verstärkung. Vielleicht sollten wir uns jetzt ein bisschen mit Ihrem Neffen unterhalten und herausfinden, was er eigentlich will.«
    »Wissen Sie auch wirklich, was Sie tun?«
    »Nein, eigentlich nicht«, rief Brian fröhlich. »Ich habe in den letzten Jahren bestimmt fünfzig Leute von dieser verdammten Klippe runtergequasselt – aber wie, das kann ich beim besten Willen nicht sagen. Ist wohl so ’ne Art Naturtalent. Wichtig ist, dass man locker bleibt und keine hastigen Bewegungen macht.«
    Vorsichtig gingen alle drei den Abhang zu Abdul Wahid hinunter.
    Er hatte seine Gebete beendet, stand unnatürlich reglos da und

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