Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
dürfte wohl klar sein.«
»Man kann nie wissen – vielleicht versucht er, das Land zu verlassen.« Er wandte sich seinem Kollegen zu. »Verständige die Flughäfen, und gib seine Personenbeschreibung raus. Besitzt er ein Fahrzeug, Ma’am?«
»Nein, er hat kein Auto.« Dem Major fiel auf, dass Jasmina ihren eigenen blauen Honda unerwähnt ließ, der nicht an seinem üblichen Platz stand. Er sah, dass sie taumelte, als würde sie in Ohnmacht fallen, und legte den Arm um ihre Taille.
»Das war ein schwerer Schock für sie, meine Herren«, sagte er so gebieterisch er konnte. »Ich muss sie jetzt zu mir nach Hause bringen, damit sie sich hinsetzen kann.«
»Wohnen Sie hier im Dorf, Sir?«, fragte der Sergeant. Der Major teilte ihm seine Adresse mit und half Jasmina ins Auto. »Bleiben Sie im Haus«, fügte der jüngere Beamte hinzu. »Vielleicht müssen wir noch einmal mit Ihnen sprechen.«
Der Major ließ den Wagen mit laufendem Motor vor Rose Lodge stehen und lief in die Spülküche. Er zog die Gewehrkiste hervor, die Roger an ihren üblichen Platz zurückgestellt hatte, und steckte eine der beiden Flinten in eine Tragetasche aus Segeltuch. Dann holte er eine Munitionsschachtel aus dem abgeschlossenen Schränkchen, schüttelte sich mehrere Patronen in die Hand und stopfte sie in seine Hosentasche. Sicherheitshalber nahm er noch einen Feldstecher und einen Flachmann vom Haken. Beides verstaute er in seiner ledernen Jagdtasche, legte einen kleinen Erste-Hilfe-Kasten obenauf und vervollständigte seine Vorbereitungen mit einer frischen Schachtel Minzkuchen. In der Hoffnung, ausreichend gerüstet und mit Lebensmitteln versorgt zu sein, um einer Verrückten entgegenzutreten, klopfte er kurz auf die Tasche. Beim Hinausgehen stieß er im Flur auf Roger.
»Wohin willst du? Ich dachte, du wolltest jetzt gerade bei einer Hochzeit das Tanzbein schwingen?«
»Erst muss ich den Bräutigam finden«, erwiderte der Major. »Könnte sein, dass Abdul Wahid sich von einer Klippe stürzt.« Der Major lief den Weg zur Straße hinunter.
Hinter ihm ertönte leise Rogers Stimme. »Ziemlich krass, eine Hochzeit so abzusagen. Warum schickt er ihr nicht einfach eine SMS ?«
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Vierundzwanzigstes Kapitel
D er Major wusste, dass er schneller fuhr, als es in der zunehmenden Dunkelheit ratsam war, aber er hatte keine Angst. Er nahm nur die eigene Konzentration und die vorbeirasenden Bäume, Hecken und Mauern wahr. Das Dröhnen des Motors klang wütend genug, da musste keiner von ihnen irgendetwas sagen. Er spürte, dass Jasmina neben ihm fröstelte, aber er wandte den Blick nicht von der Fahrbahn. Sein Denken war ganz auf die bevorstehende Aufgabe gerichtet, und während sie die weitläufigen Randgebiete der Stadt hinter sich ließen und auf dem Feldweg in Richtung Klippen preschten, empfand er Stolz wie ein Soldat nach einem gut erfüllten Auftrag.
»Und wenn wir zu spät kommen?«, flüsterte Jasmina. Fast hätte er die Fassung verloren, solche Angst schwang in ihrer Stimme mit.
»Das dürfen wir einfach nicht denken. Wir müssen uns auf den nächsten Schritt konzentrieren und dann wiederum auf den nächsten.« Er lenkte den Wagen auf den leeren Parkplatz. »Wir tun, was wir können, und der Rest ist Gottes Problem.«
Die Klippe, auf der sie mit dem kleinen George so fröhlich herumspaziert waren, lag düster unter rissigen grauen Wolken, die mit geblähten, regenschwarzen Unterseiten im auffrischenden Wind dahinzogen. Weiter draußen wischten schon Regenwände über die aufgewühlte See. Es war noch nicht dunkel genug, als dass der Leuchtturm mit seinem Licht prunken konnte, aber auch nicht mehr so hell, dass Hoffnung aufkam. Als sie ausstiegen, schleuderte eine Bö kalten Regen an die Windschutzscheibe.
»Wir brauchen unsere Mäntel«, sagte der Major und lief zum Kofferraum.
»Dafür haben wir keine Zeit, Ernest!«, widersprach Jasmina, blieb aber am Straßenrand stehen und wartete auf ihn. Er schnallte die Jagdtasche um die Brust, hängte sich die Gewehrtasche über die Schulter und holte seinen Hut und den Jagdmantel heraus. Als er Jasmina ihren Mantel gab, hoffte er, dass die Flinte von seinen Schultern verdeckt wurde. Sie schlüpfte, offenbar ohne etwas bemerkt zu haben, in den Mantel. »Jetzt ist es so leer hier«, sagte sie und ließ den Blick auf der Suche nach Abdul Wahid über die endlose Grasfläche wandern. »Wie sollen wir sie nur finden?«
»Wir steigen zum Aussichtspunkt hoch«, schlug er vor, setzte
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