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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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war einer der Gründe, warum er seit Nancys Tod Frauen aus dem Weg gegangen war. Ohne das Schutzschild einer Ehefrau konnten selbst die ungezwungensten Gespräche mit Frauen plötzlich in einen Morast aus verschämten Bemerkungen und falsch kommunizierten Absichten geraten. Der Major aber zog es vor, sich möglichst nicht zur Witzfigur zu machen.
    Heute allerdings verhinderte eine hartnäckige Leichtsinnigkeit sein übliches entschlossenes Zurückweichen. Auf dem Weg zum Auto ging ihm ohne Unterlass der Satz »Fahren Sie nächste Woche wieder in die Stadt?« durch den Kopf, aber er konnte sich nicht überwinden, ihn auszusprechen. Als sie das kleine blaue Auto erreicht hatten, durchfuhr ihn eine stechende Traurigkeit. Mrs. Ali beugte sich hinunter und schloss die Tür auf. Wieder bewunderte er ihre glatte Stirn und das glänzende, vom Kopftuch umrahmte Haar. Sie spürte seinen Blick, sah zu ihm hoch und richtete sich auf. Er bemerkte, dass ihr Kinn von der Kante des Wagendachs verdeckt war. Sie war keine großgewachsene Frau.
    »Major«, sagte sie, »dürfte ich mit Ihnen vielleicht noch einmal über Kipling sprechen, wenn ich mein Buch gelesen habe?« Der Himmel begann, dicke Tropfen zu spucken, eine kalte Bö wehte ihm Schmutz und Abfall ans Bein. Seine Traurigkeit verschwand, und er dachte, welch herrlicher Tag dies doch war.
    »Ich würde mich sehr, sehr freuen, gnädige Frau. Ich stehe jederzeit zu Ihrer Verfügung.«

[home]
    Sechstes Kapitel
    D er Golfclub lag an der dem Meer zugewandten Seite der Kreidehügellandschaft, auf einer niedrigen Landspitze, die in einem Wulst grasbewachsener Sanddünen auslief. Die Grüns rangierten in ihrer Qualität von dichtem, grünem, perfekt gestutztem Rasen bis hin zu braunen, von Dünengras durchsetzten Flecken, auf denen man bei entsprechenden Windstößen gerne völlig unerwartet einen Schwall Sand ins Gesicht bekam. Das dreizehnte Loch war berühmt für Lady Eunice, ein gewaltiges Romney-Marsh-Schaf, das die Grashalme kurz hielt, so weit die rostige Kette es zuließ. Den Besuchern, und vor allem den wenigen Amerikanern, die ab und an in den Golfclub kamen, wurde gern erzählt, es sei üblich, mit den großen Schafkötteln Übungsschläge zu absolvieren. In einer kleinen, auf einen Holzpfosten montierten Kiste lagen darum eine rostige Schaufel zum Aufsammeln des Schafmists sowie eine handbetriebene Golfball-Waschmaschine. Einige neue Mitglieder hatten sich bereits über Eunice beschwert. In der jüngsten Ära der Weltklasse-Golfresorts und der zunehmend beliebten Firmenausflüge auf den Golfplatz befürchteten sie, das Tier verleihe dem Club das Image eines Minigolfvereins. Der Major gehörte zu denen, die sich für Eunice einsetzten und die Ansicht vertraten, die Haltung der Neumitglieder zeuge von den schlechten Auswahlkriterien seitens des Aufnahmekomitees. Außerdem bezeichnete er Eunice gern als »umweltfreundlich«.
    Das frühmorgendliche Licht und der Geruch von Meer und Gras gaben dem Major neuen Schwung. Verstohlen verpasste er Eunice einen kleinen Klaps und scheuchte sie von dem Grün, an dessen südlichem Rand sein Ball lag. Alec mähte mit seinem Wedge das Dünengras wie mit einer Sichel; die kahle Stelle an seinem Kopf glänzte dabei im kühlen Sonnenschein. Geduldig wartete der Major, den Putter auf der Schulter, und genoss den Anblick der sanft geschwungenen Bucht: kilometerlanger Sandstrand und endloses, vom trüben Licht silbrig gefärbtes Wasser.
    »Verdammtes Gras, macht einen völlig fertig!«, rief Alec und trampelte, rot im Gesicht, mit seinen Spikes ein paar Büschel nieder.
    »Aufpassen, alter Freund, sonst hast du die Damen vom Umweltschutzkomitee am Hals«, sagte der Major.
    »Verdammte Weiber mit ihren verdammten Dünenbiotopen!« Alec stampfte noch heftiger. »Wieso können die nicht einfach alles lassen, wie es ist?« Die Clubdamen machten sich seit einiger Zeit für einen verantwortungsbewussteren Umgang mit dem Golfplatz stark. Am Schwarzen Brett hingen neuerdings mehrere am Heimcomputer entworfene Plakate mit der Aufforderung an die Mitglieder, sich von den Dünen fernzuhalten und auf Wildvogelnester zu achten. Alecs Frau Alma zählte zu den engagiertesten Aktivistinnen, und der Clubvorstand hatte reagiert, indem er Alec mit der Leitung eines Unterausschusses »Umweltangelegenheiten« beauftragte – einem Amt, unter dessen Last der arme Mann sichtlich zusammenzubrechen drohte.
    »Wie geht es Alma?«, fragte der Major.
    »Sie lässt mich

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