Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
Major, ein hohes Tempo zu halten und das gedämpfte Stöhnen von der Rückbank zu überhören. Er war überzeugt, dass Grace sich sofort besser fühlen würde, sobald er die beiden vor dem Handarbeitsladen abgesetzt hätte. Schon der Anblick der bunten Wolle würde sie aufheitern.
Die Dorfwiese war genauso penibel gepflegt, wie der Major sie in Erinnerung gehabt hatte. Rings um das kurz gemähte Gras hing an frisch gestrichenen weißen Holzpfosten in Kniehöhe eine Kette. Bronzeschilder teilten den Leuten mit, dass das Betreten der Rasenfläche nur an Konzertnachmittagen gestattet war. Kieswege schlängelten sich über die Rasenfläche wie ein seltsames Venn-Diagramm. Der Pavillon auf der anderen Seite überblickte den ellipsenförmigen Ententeich, auf dem drei wie gebleicht aussehende Schwäne schwammen. Es waren immer nur drei, und den Major beschäftigte stets aufs Neue die Frage, welcher von ihnen der überzählige sein mochte und warum er dablieb. Die Cottages und Häuser des Dorfs standen dicht an dicht wie enge Freunde. Eine ganze Armee von formgeschnittenen Sträuchern in Terrakottagefäßen bewachte pastellfarbene Haustüren. Blumenkästen schäumten über vor malerischem Blattwerk, die maßgefertigten Doppelglasscheiben in den Fenstern funkelten.
Die Läden befanden sich in einer kleinen Straße, die von der Dorfwiese abging. Der Major hielt vor dem Wollgeschäft. In den vollgestopften Schaufenstern türmten sich Kissenbezüge, die darauf warteten, im Kreuzstich bestickt zu werden, Puppenhäuser, die lackiert und möbliert werden wollten, sowie Körbe mit Wollknäueln in allen Farben des Regenbogens.
»So, da wären wir«, sagte der Major in, wie er hoffte, vergnügtem, anspornendem Ton. »Sagen wir in einer Stunde, ja?« Von hinten kam nur ein Seufzen. Im Rückspiegel sah er kurz ein graues Gesicht, aus dem Graces rosaroter Lippenstift herausstach wie neue Ziegelsteine aus einer alten Hauswand.
»Ich könnte aber auch früher wieder da sein«, sagte er. »Mein Sohn möchte nur, dass ich mit ihm zusammen ein Cottage besichtige. Er glaubt offenbar, einen besseren Eindruck zu machen, wenn ich dabei bin.«
»An der frischen Luft wird es Ihnen gleich bessergehen, Grace«, fügte Mrs. Ali hinzu, die sich auf ihrem Sitz umgedreht hatte und besorgt nach hinten blickte. »Warten Sie, ich helfe Ihnen beim Aussteigen.«
»Nein, nein«, flüsterte Grace. »Ich kann hier nicht aussteigen, nicht vor all den Leuten.« Dem Major kam die Straße recht verwaist vor, und auch im Handarbeitsladen selbst stöberten nur einige wenige Damen herum.
»Was sollen wir tun?«, fragte er Mrs. Ali. Die Kirchturmuhr zeigte drei Uhr an, und allmählich geriet er in Panik. »Eigentlich müsste ich jetzt schon beim Apple Cottage sein.«
»Fahren wir doch einfach hin«, schlug Mrs. Ali vor. »Sie gehen rein, und ich laufe unterdessen mit Grace ein paar Schritte. Wäre das in Ordnung, Grace?« Von hinten kam wieder nur vages Stöhnen.
Den Major packte die Angst. »Fänden Sie es nicht besser, auf der Dorfwiese zu warten?«, fragte er. »Am Teich stehen wunderschöne Bänke.«
»Da könnte sie sich verkühlen«, wandte Mrs. Ali ein. »Ich halte es für besser, nahe beim Auto zu bleiben.« Sie warf ihm einen strengen Blick zu. »Aber natürlich nur, falls unsere Anwesenheit dort nicht Ihren guten Eindruck trübt.«
»Nicht im Geringsten«, sagte der Major, der Rogers hochgezogene Augenbrauen bereits vor sich sah. Vielleicht, dachte er, könnte er ja ein Stück vor dem Cottage parken und zu Fuß hingehen.
Das Apple Cottage lag am Ende einer schmalen Straße, die zu einem Gatter und der dahinterliegenden Weide führte. Noch ehe der Major Zeit hatte, sich nach einem geeigneten Parkplatz umzusehen, war er auch schon da. Sandys Jaguar stand am Rand der Weide, so dass direkt vor dem Gartentor des Cottages Platz für ein weiteres Auto blieb. Der Major hatte keine Wahl, er musste dort parken. Rogers brauner Schopf und Sandys glänzendes blondes Haar ragten über die Hecke hervor. Ein brauner Filzhut wies auf die Anwesenheit einer dritten Person hin – der Witwe Augerspier, wie anzunehmen war. Roger blickte gerade zum Dach des Cottages hinauf und nickte, als verfügte er über irgendwelche Kompetenz in der Beurteilung faulenden Reets.
»Da wären wir«, sagte der Major. »Es wird nicht lange dauern. Ich lasse den Wagen offen.«
»Ja, gehen Sie ruhig«, sagte Mrs. Ali. »Nach einem kleinen Spaziergang wird sich Grace bestimmt besser
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