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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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fühlen.« Als der Major ausstieg, ächzte Grace immer noch. Rasch durchschritt er das Gartentor und hoffte, dass ihr Stöhnen nicht allzu weit durch die reglose Nachmittagsluft getragen würde.
    Mrs. Augerspier stammte aus Bournemouth. Sie hatte ein langes, etwas grimmig wirkendes Gesicht und einen von Verbitterung gezeichneten schmallippigen Mund. Sie trug ein steifes schwarzes Wollkostüm, und an ihrem Hut prangten schwarze Federn, die ihr kaskadenförmig in die fliehende Stirn hingen.
    »Mein Vater war Colonel im Militärdienst«, sagte sie ohne Angabe der Einheit, als Roger sie vorstellte. »Aber sein Vermögen hat er mit Hüten gemacht. Nach dem Krieg bestand eine große Nachfrage nach Hüten aus Europa. Und nach dem Tod meines Vaters übernahm dann mein Mann den Betrieb.«
    »Vom Heldenmut zum Damenhut«, sagte der Major. Roger warf seinem Vater einen so bösen Blick zu, als hätte dieser eine Beleidigung ausgestoßen. Dann wandte er sich mit strahlendem Lächeln der toten Krähe auf der Stirn der Witwe zu.
    »Heutzutage werden jedenfalls nicht mehr so gute Hüte hergestellt wie früher.« Roger lächelte weiter, als wartete er darauf, fotografiert zu werden. Seine Zähne erschienen dem Major größer und weißer, als er sie in Erinnerung hatte, aber vielleicht war es nur eine durch die krampfhaft gedehnten Lippen hervorgerufene optische Täuschung.
    »Das können Sie laut sagen, junger Mann«, erwiderte die Witwe. »Bei meiner Hochzeit trug ich einen Hut, der über und über mit Schwanenfedern besetzt war. Aber die Flügel sind ja heute nicht mehr zu bekommen. Es ist eine Schande!« Vor seinem geistigen Auge sah der Major amputierte Schwäne auf dem Teich in Little Puddleton paddeln.
    »Ist das ein echter Vintage-Hut?«, fragte Sandy. »Da muss ich meiner Freundin unbedingt gleich ein Foto schicken. Sie ist Redakteurin bei der
Vogue.
«
    »Ja, inzwischen kann man ihn wohl als Vintage bezeichnen«, antwortete die Witwe und neigte kokett den Kopf, während Sandy mit ihrem winzigen Handy mehrere Aufnahmen machte. »Den hat mein Vater anlässlich der Bestattung meiner Mutter gemacht. Sie sah so schön aus! Und danach hat er ihn mir geschenkt, als Erinnerung an sie. Letzten Monat habe ich ihn beim Begräbnis meiner Tante getragen.« Sie zog ein kleines, mit Spitze eingefasstes Taschentuch hervor und wischte sich die Nase.
    »Unser herzliches Beileid«, sagte Roger.
    »Sie hat es nie verstanden, einen Hut zu tragen, wie man ihn tragen muss. Sie war keine Lady wie meine Mutter. Wissen Sie, meine Mutter hat nie telefoniert. Und wenn ein Handwerker an der Eingangstür klingelte statt am Personaleingang, hat sie ihn mit dem Besen davongejagt.«
    »Aber die Hutmacherei ist doch auch ein Handwerk«, wandte Sandy ein. »Musste ihr Mann dann auch immer durch die Hintertür?«
    »Natürlich nicht!« Die Federn der Witwe zitterten, und Roger sah plötzlich etwas angeschlagen aus. »Immerhin fertigte mein Vater Hüte für den Adel.«
    »Können wir das Cottage jetzt von innen besichtigen?«, fragte Roger und versuchte, Sandy unbemerkt einen vorwurfsvollen Blick zuzuwerfen. »Sandy würde bestimmt am liebsten stundenlang mit Ihnen über Hüte reden, Mrs. Augerspier, aber wir möchten uns das Haus gern im Nachmittagslicht ansehen.«
     
    Soweit der Major feststellen konnte, war das Cottage eine einzige feuchte, unbewohnbare Katastrophe. In manchen Ecken warf der Putz verdächtige Blasen. Die Balken waren wurmstichig, und der Fußboden im Erdgeschoss sah aus, als bestünde er aus unebenen Gartenplatten. Auf dem eichenen Simsbalken des Eckkamins fand sich wohl sogar mehr Ruß als im Abzugsrohr. Die Fenster waren noch original, aber die Scheiben waren so verbogen und verzogen, als würde das von Hand gefertigte Glas schon beim kleinsten Windstoß aus den schweren Bleifassungen springen.
    »Unter Umständen verkaufe ich einen Teil der Einrichtung an die neuen Mieter«, erklärte Mrs. Augerspier und strich ein Spitzendeckchen glatt, das über die Rückenlehne eines ramponierten Sessels gebreitet war. »Aber natürlich nur, wenn es die richtigen Leute sind.« Der Major fragte sich, warum Roger so begeistert nickte. Die Besitztümer der toten Tante umfassten billige Kiefermöbel, allerlei maritimen Nippes sowie eine Ansammlung von Tellern mit Szenen aus berühmten Filmen. Es gab nicht einen Gegenstand, der dem Geschmack von Roger und Sandy entsprach; trotzdem sah sich sein Sohn alles ganz genau an.
    In der großen leeren Küche, einem

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