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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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kastenförmigen Anbau aus den fünfziger Jahren mit billigen Balken an der strukturverputzten Decke, steckte der Major den Kopf durch eine offene Tür, hinter der sich eine unscheinbare Speisekammer verbarg. In den ansonsten leeren Regalen lagen elf Schachteln Hühnerbrühe. Dass das Leben hier nach und nach immer mehr geschwunden war, bis nur noch so wenig übrig blieb, stimmte ihn traurig. Leise schloss er die Tür.
    »Also, ich würde alles so lassen«, sagte Sandy gerade zu Mrs. Augerspier. »Außer vielleicht, dass ich da hinten in die Ecke einen ordentlich großen amerikanischen Kühlschrank hinstellen würde.«
    »Meiner Tante hat dieser Kühlschrank immer genügt«, wandte Mrs. Augerspier ein und zog den karierten Vorhang unter der Küchentheke zur Seite. Zum Vorschein kam ein kleiner grüner, an den Kanten rostiger Kühlschrank. »Aber die jungen Leute von heute wollen ja unbedingt diese Fertiggerichte.«
    »Also wir werden nur in den Hofläden hier in der Gegend einkaufen«, sagte Roger. »Es geht doch schließlich nichts über frisches Gemüse, oder?«
    »Ist aber wahnsinnig überteuert«, meinte die Witwe. »Damit neppen die doch nur die Wochenendausflügler aus London. Ich kaufe da jedenfalls nicht ein!«
    »Oh«, sagte Roger und warf seinem Vater einen verzweifelten Blick zu. Der Major konnte es sich gerade noch verkneifen, laut loszuprusten.
    »Das hier ist ein sehr guter Tisch«, fuhr Mrs. Augerspier fort und klopfte auf den Kunststoff. Auf dem Ding lag noch ein kariertes Wachstuch. »Ich wäre bereit, ihn zu verkaufen.«
    »Wir werden uns wahrscheinlich einen handgeschreinerten Eichentisch und traditionelle englische Sitzbänke fertigen lassen«, erklärte Sandy, während sie die trüb angelaufenen Armaturengriffe an der Küchenspüle drehte und das bräunliche Rinnsal betrachtete, das daraufhin aus dem Hahn lief. »Eine Freundin von mir – sie ist Artdirector – kennt da einen tollen Tischler.«
    »Ich möchte gern, dass der Tisch bleibt«, sagte die Witwe, als hätte sie gar nicht zugehört. »Ich finde, er passt hier einfach rein.«
    »Absolut«, erwiderte Roger. »Den Eichentisch können wir ja auch ins Esszimmer stellen, oder, Sandy?«
    »Ich zeige Ihnen mal das Esszimmer«, sagte die Witwe. »Da steht aber bereits eine sehr schöne moderne Essgarnitur.« Sie entriegelte eine Tür und bedeutete den anderen, ihr zu folgen. Roger ging ihr nach. Als der Major zur Seite trat, um Sandy den Vortritt zu geben, hörten sie die Witwe sagen: »Also, ich wäre unter Umständen bereit, die Essgarnitur zu verkaufen.«
    »Glauben Sie, die Tante ist hier in ihrem Bett gestorben?«, flüsterte Sandy dem Major grinsend zu, als sie an ihm vorbeiging. »Und glauben Sie, wir dürfen die Matratze kaufen?« Jetzt konnte sich der Major das Lachen nicht mehr verkneifen.
    Am Fuß der krummen Treppe, die in den ersten Stock führte, warf Roger ihm einen ernsten Blick zu. Der Major fühlte sich an einen Jack-Russell-Terrier erinnert, der dringend hinaus muss. Er las darin eine Bitte und freute sich darüber, dass er die mimische Kommunikation seines Sohnes noch immer verstand.
    »Mrs. Augerspier, gnädige Frau«, sagte er, »wären Sie so freundlich, mir den Garten zu zeigen? Die jungen Leute finden sich oben sicherlich auch allein zurecht.« Die Witwe blickte argwöhnisch drein.
    »Das wäre ganz toll!«, sagte Sandy in herzlichem Ton. »Wir würden das Ganze gern miteinander besprechen, während wir uns alles ansehen.«
    »Normalerweise lasse ich die Leute nicht ohne Begleitung durchs Haus gehen«, wandte die Witwe ein. »Man kann ja heutzutage wirklich niemandem mehr trauen.«
    »Ich verbürge mich für die absolute Rechtschaffenheit dieser beiden jungen Leute«, sagte der Major. »Es wäre außerordentlich freundlich von Ihnen, mir Ihre Begleitung zu gewähren.« Er hielt ihr den angewinkelten Arm hin und widerstand dem Drang, sich über den Schnurrbart zu streichen, weil er befürchtete, dass sein aufgesetztes charmantes Lächeln wie ein anzügliches Grinsen wirken könnte.
    »Also gut, ich denke, das geht in Ordnung«, sagte die Witwe und hakte sich bei ihm unter. »Man bekommt ja heutzutage kaum mehr Gelegenheit, sich kultiviert zu unterhalten.«
    »Nach Ihnen«, sagte der Major.
     
    Nach dem Mief im Cottage erschien ihm die frische Luft wie reiner Sauerstoff. Er atmete dankbar durch und wurde mit dem Duft von Buchs und Weißdorn, unterlegt mit einem Hauch von feuchtem Eichenlaub, belohnt. Mrs. Augerspier bog

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