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Mrs Murphy 01: Schade, dass du nicht tot bist

Mrs Murphy 01: Schade, dass du nicht tot bist

Titel: Mrs Murphy 01: Schade, dass du nicht tot bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Mae Brown
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nur wüsste.«
     
    Am Abend, nach einer Mahlzeit aus Hüttenkäse auf Kopfsalat, bestreut mit Sonnenblumenkernen, holte Harry die Postkarten und das riesige Vergrößerungsglas ihrer Mutter hervor. Sie beleuchtete die Karte an Kelly mit einer hellen Lampe und legte die Karte, die Rob ihr geliehen hatte, daneben. Die Stempelfarben waren verschieden. Der echte Pariser Poststempel hatte eine etwas dunklere Schattierung. Zudem waren die Buchstaben auf dem Entwertungsstempel auf Kellys Karte nicht ganz regelmäßig. Bei den Buchstaben auf Maudes Postkarte war es dasselbe. Das »A« von Asheville war ein ganz kleines bisschen verrutscht. Harry knipste die Lampe aus.
    Die Postkarten waren ein Signal. Sie erinnerte sich, wie Maude ihre bekommen hatte. Sie hatte sich nicht benommen wie eine Frau, die mit dem Tod bedroht wird. Sie hatte sich geärgert, weil der Absender oder die Absenderin keinen Namen darunter gesetzt hatte.
    Die Dielenbretter knarrten, als Harry auf und ab ging. Was wusste sie? Sie wusste, dass der Mörder in der Nähe war. Sie wusste, dass der Mörder Sinn für Humor hatte und seine Opfer sogar verspottete, indem er gewissermaßen einen Warnschuss abgab. Sie wusste, dass die Verstümmelung der Leichen dazu diente, die Leute irrezuführen. Aber warum, das wusste sie nicht genau. Vielleicht um die wahre Mordmethode zu verschleiern, oder um die Leute davon abzuhalten, woanders nach Spuren zu suchen, aber wozu und wonach? Oder schlimmer noch, vielleicht war die Zurschaustellung der Opfer einfach ein grausamer Witz.
    Außerdem wusste sie, dass Claudius Crozet für Maude wichtig gewesen war. Sie war entschlossen, morgen Marie, die Sekretärin der Betonfabrik, anzurufen, um herauszufinden, ob Kelly den berühmten Ingenieur je erwähnt hatte. Sie machte sich eine Tasse starken Kaffee – ein Löffel hätte darin stehen können – und setzte sich an den Küchentisch, um die Briefe zu lesen.
    Gegen ein Uhr früh war sie heißhungrig und wünschte, jemand würde eine Methode erfinden, eine Pizza zu faxen. Sie aß noch mehr Hüttenkäse und las weiter. Crozet schrieb detailliert über die Bohrungen für die Tunnels. Sie wurden acht volle Jahre lang rund um die Uhr in drei Achtstundenschichten vorgetrieben. Der Brooksville-Tunnel erwies sich als äußerst gefährliches Unternehmen. Das scheinbar solide Gestein wurde weich, als sich die Männer tiefer in den Berg hineingruben. Einstürze und Erdrutsche schlugen wie harter Regen auf ihre Köpfe.
    Die technischen Probleme verblassten zuweilen neben den menschlichen. Die Tunnelwühlmäuse waren Männer aus Irland, kamen aber aus zwei verschiedenen Teilen der Grünen Insel. Die Männer aus Cork verachteten die Männer aus Nordirland. In einer bitterkalten Nacht, am 2. Februar 1850, erschütterte ein Aufstand den Bezirk Augusta. Die Miliz wurde gerufen, um die streitenden Parteien zu trennen, und das Gefängnis platzte von blutenden Iren aus allen Nähten. Am nächsten Morgen erklärten beide Seiten übereinstimmend, dass sie sich bloß mal ein bisschen hatten prügeln wollen, und die Obrigkeit akzeptierte diese Erklärung. Nach ein paar Knochenbrüchen und einer Nacht im Gefängnis kamen die Männer gut miteinander aus.
    Der Blue Ridge Railroad Company ging mit beängstigender Regelmäßigkeit das Geld aus. Der Staat Virginia war keine große Hilfe. Der Bauunternehmer John Kelly bezahlte die Männer aus seiner eigenen Tasche und akzeptierte Wechsel vom Staat – ein wahrhaft mutiger Mann.
    Als Claudius Crozet schilderte, wie der Postzug am 13. April 1858 durch den zuletzt fertiggestellten Tunnel rollte, war Harry beinahe so aufgeregt, wie er gewesen sein musste.
    Mit brennenden Augen las sie die Briefe zu Ende und schleppte sich ins Bett. Sie spürte, dass die Tunnels etwas zu bedeuten hatten, aber warum? Und welcher? Der Greenwood- und der Brooksville-Tunnel waren nach 1945 versiegelt worden. Sie würde sich dort umsehen müssen. Schließlich sank sie in einen unruhigen Schlaf.

 
21
     
    Der Vollmond bestrahlte die Wiesen mit silbernem Licht und ließ die Kornblumen dunkellila schimmern. Fledermäuse schossen von den hohen Koniferen zu den Dachtraufen von Harrys Haus und zurück.
    Mrs Murphy saß auf der rückwärtigen Veranda. Im Hintergrund war Tuckers Schnarchen zu hören. Die Katze war unruhig, doch sie wusste, dass sie am Morgen Tucker die Schuld geben und ihr sagen würde, sie habe sie wach gehalten. Tucker hingegen beschuldigte Mrs Murphy, sie erfinde die

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