Mrs Murphy 01: Schade, dass du nicht tot bist
Mädels bloß in Maude Bly Modenas Laden gemacht?« Harry legte ihre Hände an die Schläfen. »Mrs Hogendobber, hätten Sie etwas dagegen, mit mir noch mal hinzugehen?«
Nichts hätte Mrs Hogendobber lieber getan. »Gut, wenn Sie es für richtig halten. Vielleicht sollten wir vorher den Sheriff verständigen.«
»Er könnte Mrs Murphy und Tucker wegen Einbruch verhaften.« In dem Augenblick, als der Scherz ihrem Mund entfahren war, war Harry klar, dass Mrs Hogendobber ihn nicht kapieren würde. »Ich rufe Market an, damit er so lange hier aufpasst.«
Market erklärte sich bereit zu kommen und sagte, er werde auch die Post sortieren. Auch er wollte einmal die Post anderer Leute lesen. Es war eine unwiderstehliche Versuchung.
Der Indische Flieder blühte in der Gasse. Mit Pollen beladene Hummeln umsummten die beiden Frauen.
»Ich war gleich zur Stelle, als ich Tucker hörte.«
»Ha!«, bemerkte Pewter sarkastisch.
Harry folgte Mrs Hogendobber, die ihre Schritte zur Tür in allen Einzelheiten schilderte.
»… und habe den Türknauf herumgedreht – es war nicht abgeschlossen –, und da kamen sie heraus.«
Und schon rannten sie wieder hinein. »Kommt schon.«
»Ich auch.« Pewter folgte ihnen.
»Mädels! Mädels!«, rief Harry vergeblich.
Mrs Hogendobber, begeistert von der Gelegenheit, hier einzudringen, sagte: »Wir müssen sie holen.«
Harry trat als Erste ein.
Mrs Hogendobber, dicht hinter ihr, blieb eine Sekunde vor den riesigen Säcken mit Styroporchips stehen. »Meine Güte.«
Harry, die schon vorn im Laden war, rief: »Wo sind sie?«
Mrs Murphy steckte den Kopf unter dem Pult hervor. »Hier.«
Mrs Hogendobber, die unterdessen gefolgt war, sah die Katze. »Da.« Sie zeigte hin. Harry ließ sich auf alle viere nieder und kroch unter das Pult. Pewter musste murrend weichen, weil nicht für alle Platz war.
Mrs Murphy saß vor dem Geheimfach, das sie in der Nacht geöffnet hatte. Ein kleiner Knopf an der Leiste über der Fuge löste den Mechanismus aus. »Hier. Guck!«
Harry keuchte: »Da ist ein Geheimfach!«
»Lassen Sie mal sehen.« Mrs Hogendobber überwand die Gesetze der Schwerkraft und ließ sich auf Hände und Knie nieder. Tucker rückte ein Stück, damit sie sehen konnte.
»Hier.« Harry drückte sich, so gut sie konnte, an die Seite des Pults und deutete hin.
»Donnerwetter!« Mrs Hogendobber keuchte aufgeregt. »Was ist da drin?«
Harry langte hinein und reichte einen großen Aktenordner und eine Handvoll Fotokopien heraus. »Hier.«
Mrs Hogendobber erhob sich von allen vieren und setzte sich mitten auf den Fußboden.
Harry kroch rückwärts heraus und gesellte sich zu ihr. »Im Pult ist noch ein Ordner.« Sie stand auf und öffnete die mittlere Schublade. Er war noch da.
»Ein zweiter Satz Bücher! Ich möchte wissen, wen sie beschummelt hat.«
»Das Finanzamt höchstwahrscheinlich.« Harry setzte sich neben Mrs Hogendobber, die die Bücher durchsah.
»Ich habe für Mister H. die Bücher geführt, müssen Sie wissen.« Sie legte die zwei Ordner nebeneinander, ihre scharfen Augen glitten an den Zahlenkolonnen herab. Der versteckte Ordner lag auf der linken Seite. »Meine Güte, so viele Waren. Sie war eine bessere Verkäuferin, als wir alle ahnten.« Mrs Hogendobber wies auf das Buch rechts. »Sehen Sie her, Harry, die Mengen – und die Preise.«
»Ich kann nicht glauben, dass sie fünfzehntausend Dollar für siebzig Säcke Styroporchips gekriegt hat.«
Das gab Mrs Hogendobber zu denken. »Wirklich unwahrscheinlich.«
Harry nahm ein Blatt von dem großen Stapel Fotokopien. Es waren Briefe von Claudius Crozet an die Blue Ridge Railroad Company. Sie überflog ein paar und stellte fest, dass sie sich mit dem Bau der Tunnels befassten.
»Was ist das?« Mrs Hogendobber konnte ihre Augen nicht von den Rechnungsbüchern losreißen.
»Claudius Crozets Briefe an die Blue Ridge Railroad Company.«
»Wovon reden Sie?« Mrs Hogendobber blickte von den Büchern hoch.
»Ich weiß nicht.«
Harry musste wieder an die Arbeit. »Mrs Hogendobber, würden Sie mir einen Gefallen tun? Es ist nichts Unredliches, aber es ist … heikel.«
»Nur zu.«
»Kopieren Sie die Briefe und die Rechnungsbücher. Dann übergeben wir alles Rick Shaw, aber ohne ihm zu sagen, dass wir Kopien haben. Ich möchte die Briefe lesen, und ich glaube, Sie mit Ihrer Erfahrung finden vielleicht etwas in den Rechnungsbüchern, das dem Sheriff entgeht. Wenn er weiß, dass wir das Material überprüfen, versteht er
Weitere Kostenlose Bücher