Mrs Murphy 01: Schade, dass du nicht tot bist
solche Gewinne machen?« Sie stand mit dem Rücken zur Tür, die gerade aufgegangen war.
Harry zwinkerte Mrs Hogendobber zu, die daraufhin verstummte. Harry lächelte. »Hallo, Courtney. Was treibst denn du so in diesem Sommer?«
»Nichts Besonderes, Mrs Haristeen. Guten Morgen, Mrs Hogendobber.« Courtney war mutlos, aber höflich.
»Wie schlimm ist es?«, fragte Harry.
»Danny Tucker hat für den Rest des Sommers Hausarrest. Er hat Ausgehverbot! Ich kann nicht glauben, dass Mr und Mrs Tucker so grausam sind.«
»Hat er dir gesagt, warum?«, erkundigte sich Harry.
»Nein.«
»Mr und Mrs Tucker sind eigentlich gar nicht so grausam. Was er getan hat, muss also schon sehr düselig gewesen sein«, sagte Harry.
»›Düselig‹ ist ein komisches Wort.« Courtney zerknitterte die Post, indem sie sie in den Händen drehte. Sie achtete nicht darauf.
»Kommt von Duesenberg«, verkündete Mrs Hogendobber dröhnend. »Der Duesenberg war ein schönes, teures Automobil in den Zwanzigerjahren, aber wenn man einen besaß, musste man auch einen Mechaniker haben. Er ging dauernd kaputt. Düselig ist also etwas Außergewöhnliches und Schlechtes.«
»Oh.« Courtney war interessiert. »Hatten Sie einen?«
»Das war etwas vor meiner Zeit, aber ich habe einmal einen Duesenberg gesehen, und mein Vater, der Autos liebte, hat mir davon erzählt.«
Für Courtney waren die Zwanzigerjahre so fern wie das elfte Jahrhundert. Alter war etwas, das sie nicht verstand, und sie war nicht sicher, ob sie Mrs Hogendobber soeben beleidigt hatte. Sie wusste, dass ihre Frage Mrs Sanburne beleidigt haben würde. In diesem Nebel der Verwirrung verließ Courtney das Postamt.
»Ein liebes Kind.« Mrs Hogendobber schwenkte ihre Handtasche. »In dieser Stadt vergisst niemand etwas. Ich jedenfalls nicht.«
»Ja?« Harry wartete auf einen Satz, der den Sinnzusammenhang herstellte.
»Ach, ich weiß nicht«, sagte Mrs Hogendobber. »Ist mir bloß eben durch den Kopf gegangen. Ich hätte schon vor fünf Minuten in der Bibelstunde sein sollen, aber ich halte ständig Verbindung mit Ihnen und möchte, dass Sie es umgekehrt auch tun.«
»Abgemacht.«
Mrs Hogendobber enteilte zu ihrem kirchlichen Damenkränzchen, und Harry wartete auf den Durchmarsch der Truppen, die in Erwartung eines Liebesbriefs gespannt ihre Schließfächer öffneten und stöhnten, wenn sie stattdessen eine Rechnung vorfanden. Sie wartete auch auf Rick Shaw. Sie wusste nicht, ob er ein guter Sheriff war oder nicht. Es war noch zu früh, das zu beurteilen, aber sie fühlte sich sicherer, wenn er in der Nähe war.
26
Fair Haristeen wusch sich die Hände, nachdem er einen ungeborenen zehn Monate alten Fetus operiert hatte. Bei dem Stammbaum war das Fohlen hunderttausend Dollar wert, schon bevor es geworfen wurde. Fetaloperationen waren eine neue Technik, und Fair, ein begabter Chirurg, war bei den Züchtern von Vollblutpferden in Virginia gefragt. Sein Können und die Achtung, die ihm entgegengebracht wurde, stiegen ihm nicht zu Kopf. Fair machte nach wie vor auch in bescheidenen Ställen seine Runde. Er liebte seine Arbeit, und wenn er sich einmal Zeit gönnte, über sich nachzudenken, wusste er, dass es seine Arbeit war, die ihn am Leben hielt.
Als er die Tür des Operationszimmers öffnete, sah er Boom Boom Craycroft in seinem Sprechzimmer sitzen. Sie lächelte.
»Kummer mit den Pferden?«
»Nein. Bloß … Kummer. Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen für mein Benehmen an dem Tag, als Kelly ermordet wurde. Ich hab meinen ganzen Frust an dir ausgelassen – aber an so etwas musst du inzwischen ja gewöhnt sein.«
Fair, der auf eine Entschuldigung nicht gefasst war, räusperte sich. »Ist schon gut.«
»Gar nichts ist gut, und mir ist nicht gut, und die ganze Stadt ist verrückt.« Ihre Stimme schnappte über. »Ich habe mir ein paar ernste Gedanken gemacht. Das wird aber auch Zeit, wirst du sagen. Nein, du würdest gar nichts sagen. Du bist zu sehr Gentleman, bis auf das eine Mal, als du im Suff die Beherrschung verloren hast. Aber ich habe über mich und Kelly nachgedacht. Er ist eigentlich nie erwachsen geworden. Er war immer der schlaue Junge, der den Leuten eines draufgab, und ich bin auch nie erwachsen geworden. Wir hatten es nicht nötig. Reiche Leute werden nicht erwachsen.«
»Manche reichen Leute schon.«
»Nenn mir bloß drei.« Boom Booms schwarze Augen blitzten.
»Stafford Sanburne in unserer Generation.«
Sie lächelte. »Einer. Schön, ich nehme
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