Mrs Murphy 01: Schade, dass du nicht tot bist
Weihnachten!« Erneutes Geheule. »Er kriegt auch Hausarrest. Geh, räum dein Zimmer auf und stör mich nicht. Ich wäre nicht hier, wenn es nicht wichtig wäre. Wiedersehn.« Peng, knallte sie den Hörer hin.
»Glückliche Familien«, sagte Harry.
»Ein Sohn in diesem Alter ist gar nicht so schwierig. Die Kombination von Vater und Sohn, die ist das Problem. Manchmal denke ich, Ned nimmt es Danny übel, dass er stärker wird als er. Er ist schon fünf Zentimeter größer als Ned.«
»Die alte Geschichte.« Cooper nahm sich die nächste Postkarte vor. Dolley Madisons Grabstein zierte die Vorderseite. »Wie viele noch?«
»Ungefähr hundertfünfundzwanzig. Es sind vierhundertzwei Schließfächer, und wir nähern uns der Zielgeraden.«
»Warum so wenige?«, fragte Susan.
»Sie wollen noch mehr?« Cooper war fassungslos.
»Nein, aber meines Wissens hat Crozet dreitausend Einwohner.«
»Die anderen haben keine Schließfächer. Die meisten von meinen Leuten wohnen mitten in der Stadt.« Harrys Zeige- und Mittelfinger begannen zu schmerzen.
Während die drei Frauen weiterkritzelten, machte Mrs Murphy einen Schrank auf und kroch hinein.
Tucker war sauer, weil sie nicht herumklettern konnte wie die Katze. »Geh nicht da rein. Sonst kann ich dich nicht mehr sehen.«
Mrs Murphy steckte den Kopf heraus. »Ich riech die Gewürze so gern. Hier drin ist ein Kräutertee, der erinnert mich an Katzenminze.«
»Ich schätze, da oben ist nichts, was nach Rinderknochen riecht?«
»Bouillonwürfel. Im Päckchen. Ich hol sie raus.« Sie untersuchte das Päckchen. »Schade, dass wir Bob Berryman nicht beschnüffeln konnten. Ob er auch diesen Geruch an sich hatte?«
»Glaub ich nicht. Die Kugel hat ihn erledigt. Ich hab alle, die ins Postamt kamen, untersucht, bloß für den Fall, dass sie den Geruch an sich haben – so wie ihre Arbeitsgerüche. Rob riecht nach Benzin und Schweiß. Market riecht köstlich. Mim durchtränkt sich mit diesem grässlichen Parfum. Fair riecht nach Pferden und Medizin. Von Little Marilyns Haarspray tränen mir die Augen. Josiah riecht nach Möbelpolitur plus Aftershave. Kelly roch nach Betonstaub. Ihre Gerüche sind so charakteristisch wie ihre Stimmen.«
»Wonach riecht Harry für dich?«
»Nach uns. Unser Geruch umhüllt sie, aber sie weiß es nicht. Ich sehe immer zu, dass ich mich an ihr reibe und auf ihrem Schoß sitze, genau wie du. Das hält andere Tiere von dummen Gedanken ab.«
Harry sah auf und erblickte Mrs Murphy, die an dem Bouillonpäckchen knabberte. »Lass das.« Die Katze sprang aus dem Schrank, bevor Harry sie packen konnte.
»Wetten, du kriegst einen Bouillonwürfel.« Mrs Murphy zwinkerte.
»Damit kann man nichts mehr anfangen«, wütete Harry. Sie öffnete das Päckchen und gab Tucker einen der Würfel, die Mrs Murphy angeknabbert hatte. Die Tigerkatze setzte sich frech auf die Anrichte. »Hier, verflixt noch mal, du hast dich genug dafür angestrengt, aber deine Manieren gehen zum Teufel.« Mrs Murphy nahm den Würfel zierlich aus Harrys Fingern.
»Fertig!«, jubelte Officer Cooper.
»Jetzt werden wir sehen, ob’s klappt.« Harry kniff die Augen zusammen.
Was herunterklappte, war Harrys Kinnladen, als sie den Fernseher einschaltete und sah, wie Fair abgeführt wurde. Dieser verdammte Rick Shaw. Er hatte niemandem was gesagt.
Sie zog ihre Schuhe an und schleppte Cooper zum Gefängnis. Zu spät. Fair war schon wieder auf freiem Fuß. Ein Alibi war beigebracht worden, ein Alibi, das Harry ebenso aus der Fassung brachte wie Fair selber.
43
Ned paffte seine Pfeife. Auf Harrys Bitte wartete Officer Cooper mit Susan im Wohnzimmer. Die Morde waren grauenhaft, aber dies hier war schmerzlich.
Nachdem sie erfahren hatte, dass Boom Boom Fair befreit hatte, indem sie zu Protokoll gegeben hatte, er sei sowohl in der Nacht von Kellys Ermordung wie auch in der Nacht von Maudes Ermordung bei ihr gewesen, hatte Harry Susan noch einmal angerufen.
Logisch betrachtet wusste sie, dass es absurd war, erschüttert zu sein. Ihr Mann war untreu gewesen. Millionen Ehemänner waren untreu. Im tiefsten Innern wusste sie auch, dass diese Affäre schon vor der Trennung bestanden haben musste. Sie wollte die Scheidung, mit oder ohne Affäre, aber als sie im Gefängnis die Einzelheiten erfuhr, brach sie unwillkürlich in Tränen aus.
Sie rief Ned an. Er sagte, sie solle sofort zu ihm kommen.
»… unüberwindliche Differenzen. Das kannst du natürlich ändern und jetzt wegen Ehebruch
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