Mrs Murphy 02: Ruhe in Fetzen
Wasser.«
»Es ist ein ganz schwacher Hauch. Süßlich. Und dann ist es plötzlich wieder weg. Ich muss es finden.«
»Was meinst du mit süßlich?« Mrs Murphy schlug mit dem Schwanz.
»Verdammt, jetzt ist es wieder weg.«
»Tucker, du hast kurze Beine – in dieser Strömung zu schwimmen ist keine gute Idee.«
»Ich muss den Geruch wiederfinden.« Damit stieß sie sich von dem Stein ab, sprang ins Wasser und ruderte mit aller Kraft. Das schlammige Wasser schlug über ihrem Kopf zusammen. Sie tauchte auf und schwamm schräg hinüber zum anderen Ufer.
Mrs Murphy schrie, was das Zeug hielt, aber Tucker achtete nicht auf sie. Als die Corgihündin das Ufer erreichte, war sie so erschöpft, dass sie sich einen Moment ausruhen musste. Aber der Geruch war jetzt etwas stärker. Auf wackligen Beinen schüttelte sie sich und erklomm mühsam den Schlammhang, zu dem die Böschung am Bach geworden war.
»Alles klar?«, rief die Katze.
»Ja.«
»Ich bleib hier, bis du zurückkommst.«
»Okay.« Tucker kletterte über die Böschung und witterte. Sie fand die Richtung und trottete über Blair Bainbridges Gelände. Der Geruch wurde mit jedem Schritt intensiver. Vor dem kleinen Friedhof blieb Tucker stehen.
Der heftige Sturm hatte die Grabsteine umgeworfen, die Blair aufgerichtet hatte, und der schadhafte Teil des schmiedeeisernen Zauns war wieder umgestürzt. Vorsichtig bahnte sich die Hündin einen Weg durch den Schutt auf dem Friedhof. Der Geruch war jetzt kristallklar und verlockend, äußerst verlockend.
Die Nase am Boden, ging sie zu dem Grabstein mit dem gemeißelten Harfe spielenden Engel. Vor dem Stein wiesen die Finger einer Menschenhand zum Himmel. Die Gewalt von Wind und Regen hatte den lockeren Mutterboden abgedeckt; ein Stückchen Grasnarbe war aufgerollt wie ein kleiner Teppich. Tucker beschnüffelte auch dies. Als sie letzte Woche mit Mrs Murphy an dem Friedhof vorbeigekommen war, hatte sie keinen verlockenden Geruch, keine sichtbare Veränderung des Bodens wahrgenommen. Der Verwesungsgestank, der jeden Hund belebte, vertrieb ihre Verwunderung über die Grasnarbe. Sie begann die Hand auszugraben. Bald war die ganze Hand zu sehen. Tucker biss in den fleischigen, geschwollenen Ballen und zerrte. Die Hand ließ sich mühelos aus der Erde ziehen. Dann sah Tucker, dass die Hand am Gelenk abgetrennt war, fein säuberlich, und dass die Fingerkuppen fehlten.
Vor lauter Begeisterung über ihren Fund vergaß Tucker ihre Erschöpfung und raste durch den Morast zum Bach. Sie blieb stehen, weil sie sich nicht traute, ins Wasser zu tauchen, aus Furcht, ihre pikante Beute zu verlieren.
Mrs Murphy war sprachlos.
Tucker legte die Hand vorsichtig ab. »Ich hab’s gewusst! Ich hab gewusst, ich rieche was köstlich Totes.«
»Tucker, kau da nicht drauf rum.« Mrs Murphy ekelte sich.
»Warum nicht? Ich hab sie gefunden. Ich hab die Arbeit gemacht. Sie gehört mir!« Sie bellte in hoher Tonlage, weil sie so aufgeregt war.
»Ich will die Hand nicht, Tucker, aber sie ist ein böses Omen.«
»Ist nicht wahr. Weißt du noch, wie Harry uns von dem Hund vorgelesen hat, der Vespasian, als er General war, eine Hand brachte, und die Seher haben daraufhin prophezeit, dass er Kaiser von Rom werden würde, und dann ist er es tatsächlich geworden? Es ist ein gutes Zeichen.«
Mrs Murphy erinnerte sich vage, dass Harry diese Geschichte einmal aus einem ihrer vielen Geschichtsbücher vorgelesen hatte, aber das war jetzt kaum ihr Hauptinteresse. »Hör zu. Die Menschen packen ihre Toten in Kisten. Wenn du eine Hand gefunden hast, heißt das, die Leiche war nicht verpackt.«
»Na und? Die Hand gehört mir!« Tucker heulte, was ihre Lungen hergaben, obgleich sie in einem Moment der Besinnung einsah, dass Mrs Murphy recht hatte. Menschen zerstückelten ihre Toten nicht.
»Tucker, wenn du die Hand vernichtest, dann vernichtest du ein Beweisstück. Du wirst ganz schön in der Scheiße sitzen, und außerdem bringst du Mutter in die Bredouille.«
Tucker hockte sich niedergeschlagen neben die kostbare Hand, ein grausiger Anblick. »Sie gehört aber mir.«
»Tut mit leid. Aber da stimmt was nicht, siehst du das nicht ein?«
»Nein.« Ihre Stimme war jetzt schwächer.
»Wenn ein toter Mensch nicht in einer Kiste ist, bedeutet das entweder, dass er oder sie krank war und weit entfernt von anderen gestorben ist, oder, dass er oder sie ermordet wurde. Die anderen Menschen müssen es erfahren. Du weißt, wie sie sind, Tucker. Manche töten
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