Mrs Murphy 02: Ruhe in Fetzen
hab kein Wort von dem verstanden, was die Frau zu mir gesagt hat. Sie hat geheult und geschrien und gestöhnt, und ich hab einfach den Hörer hingelegt und bin aus der Küche und hab Little Marilyn gesagt, ihre Mutter ist am Apparat und ich kann sie nicht verstehen. Ich konnte schließlich nicht sagen: ›Ihre Mutter hat ’nen Tobsuchtsanfall, der sich gewaschen hat‹, oder? Ich hab gewartet, wie Little Marilyn ans Telefon ging, und sie konnte ihre Mutter auch nicht besser verstehen als ich. Und eh ich michs versah, rennt sie die Treppe rauf und will sich zurechtmachen, und Mr Fitz wartet unten. Er war so nervös, dass er’s nicht mehr ausgehalten hat, und er ist die Treppe raufgestürmt und hat ihr klipp und klar gesagt, jetzt ist keine Zeit zum Schminken und sie müssten los. Dann sind sie mit dem weißen Jeep von ihr losgefahren. Es dauert keine zwanzig Minuten, bis das Telefon wieder klingelt, und Jack ist jetzt da und geht ran, aber Roberta und ich konnten nicht anders, wir sind auch rangegangen. Es war Mr Fitz. Im Hintergrund konnten wir die beiden Marilyns hören, sie haben gekreischt wie die Furien. Mr Fitz war ein bisschen zittrig, aber er hat Jack erzählt, in Mims Bootshaus schwimmt ’ne Leiche ohne Kopf. Er hat zu Jack gesagt, er soll rumtelefonieren und seine ganzen Geschäftstermine und Little Marilyns sämtliche Verabredungen für heute absagen. Dann hat er gesagt, Jack soll zusehen, ob er Mr Sanburne in Richmond erreichen kann. Der Sheriff wäre schon unterwegs, und wir brauchten keine Angst zu haben. Niemand wäre in Gefahr. Jack hat ein paar Fragen gestellt, und Mr Fitz hat ihm gesagt, er soll sich keine Gedanken machen, wenn er seine Arbeit heute nicht getan kriegt. Gott sei Dank haben wir Mr Fitz.«
Sie war mit ihrem Bericht zu Ende. Dies war womöglich das einzige Mal in ihrem Leben, dass Tiffany im Mittelpunkt stand. Es hatte etwas Rührendes.
Aber Tiffany wusste nichts davon, dass die Hände und Beine in Foxden ausgegraben worden waren. So konnte Miranda Hogendobber ihre Geschichte noch einmal erzählen. Für Miranda war es ganz natürlich, im Mittelpunkt zu stehen.
Dankbar, dass Mrs Hogendobber den Sektor »Unterhaltung« übernahm, machte sich Harry wieder an die Verteilung der Post. Sie war froh, dass sie hinter den Fächern stand; denn sie lachte leise, und die Tränen liefen ihr aus den Augen. Susan ging zu ihr, weil sie dachte, Harry weinte.
Harry wischte sich die Tränen ab und flüsterte: »Ausgerechnet Mim! Was wird Town and Country dazu sagen?«
Susan lachte jetzt so herzhaft wie Harry. »Wer immer es war, hat vielleicht den Fehler gemacht, mit ihrem Pontonboot zu segeln.«
Darauf brachen beide wieder in Kichern aus. Harry legte sich die Hand auf den Mund, um ihre Stimme zu dämpfen. »Mim hat sich verausgabt und immer neue Besitztümer angeschafft. Jetzt hat sie ein echtes Original.«
Das gab ihnen den Rest. Sie fielen fast auf die Erde. Der Ausbruch war natürlich zum Teil auf die Anspannung zurückzuführen. Aber er war auch ganz konkret Mims Charakter zuzuschreiben. Miranda sagte immer, irgendwo in Mim stecke ein guter Kern, den bloß niemand entdecken wolle. Mim hatte von der Wiege an ihr Leben damit zugebracht, die Leute mit ihrem ewigen Gefasel von Abstammung und Geld zu schikanieren. Aber diese beiden Dinge sind weniger häufig miteinander verbunden, als es Mim lieb wäre. Egal, was für eine Lebensgeschichte einer hatte, Mim konnte sie übertreffen; wenn nicht, neigte sie den Kopf in einem Winkel, der ihren Abscheu und ihre gesellschaftliche Überheblichkeit zum Ausdruck brachte.
Keiner sprach es laut aus, aber vermutlich freute es die meisten Leute, dass eine aufgeschwemmte Leiche ihren Weg in Mims Bootshaus gefunden hatte. Bei den Sanburnes stanken noch ganz andere Dinge als ein faulender Rumpf.
14
Der Glanz des vom Feuer erhellten Mahagoniholzes in Herbie Jones’ Bibliothek ließ die Züge des Reverends jugendlich weich erscheinen. Der leichte Regen auf der Fensterscheibe unterstrich seine Stimmung. Er war in sich gekehrt und nachdenklich und zudem erschöpft. Er hatte vergessen, wie strapaziös erschütternde Ereignisse sein können. Carol, seine Frau, die veilchenblauen Augen voll Mitgefühl, redete ihm zu, etwas zu essen. Als er ablehnte, wusste sie, dass er litt.
»Möchtest du nicht wenigstens eine Tasse Kakao?«
»Was? Ach nein, Liebes. Ich habe Cabell in der Bank getroffen. Er meint, wir haben es mit einem Verrückten zu tun. Ein
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