Mrs Murphy 02: Ruhe in Fetzen
auf das Golfspiel.«
»Dann schlage ich vor, tu meinen Putter zurück und nimm deinen eigenen.«
39
Spät in der Nacht klingelte bei Harry das Telefon.
Susan entschuldigte sich in aufgeregtem Ton. »Ich weiß, du schläfst, aber ich musste dich wecken.«
»Alles in Ordnung mit dir?«, antwortete eine verschlafene Stimme.
»Ja. Ned ist vor ungefähr einer Viertelstunde aus dem Büro nach Hause gekommen. Er war Bens Anwalt, wie du weißt. Rick war bei ihm im Büro und hat ihm eine Menge Fragen gestellt, von denen Ned nicht eine beantworten konnte, weil er für Ben ausschließlich in Grundstücksgeschäften tätig war. Also, der Sheriff und die Bank haben sich nach Überprüfung der Bücher Bens Privatkonten vorgenommen. Ben Seifert hatte siebenhundertfünfzigtausend Dollar angesammelt, verteilt auf die Bank, die Börse und den Warenmarkt. Sogar Cabell Hall war erstaunt, wie raffiniert Ben war.«
Jetzt war Harry hellwach. »Siebenhundertfünfzigtausend Dollar? Susan, er kann bei der Bank allerhöchstens fünfundvierzigtausend im Jahr verdient haben. Banken sind bekanntlich knauserig.«
»Ich weiß. Sie haben auch seinen Steuerberater kommen lassen und seine Steuererklärungen genau nachgeprüft. Er hat die Gelder ziemlich schlau deklariert. Die meisten Einkünfte hat er als Kursgewinne ausgewiesen, so nennt man das, glaube ich. Der Steuerberater hat erklärt, Ben hätte gesagt, er wollte ihm seine Aufstellungen schicken, aber er hätte es nicht getan. Er sagte, er hätte Ben oft genug gewarnt. Wenn keine Unterlagen da seien, sei die nächste Steuerprüfung Bens Problem. Vorausgesetzt, dass der Tag jemals käme.«
»Komisch.«
»Was ist komisch?« – »Bei der Einkommensteuer hat er nicht betrogen, aber irgendwo muss er betrogen haben. Eigentlich klingt es nicht nach Betrug. Es klingt nach Schmiergeldern oder Geldwäsche.«
»Ich hätte Ben nie für so gerissen gehalten.«
»War er auch nicht«, bestätigte Harry. »Aber wer immer mit ihm da drinsteckte, der war gerissen. Oder ist es.«
»Gerissene Leute morden nicht.«
»Doch, wenn sie in die Enge getrieben werden, schon –«
»Willst du nicht in die Stadt kommen und eine Weile bei mir wohnen?«
»Warum?«
»Du weißt doch, was Cynthia Cooper uns von Blair erzählt hat. Von seiner Freundin, meine ich.«
»Ja.«
»Er scheint mir ziemlich gerissen zu sein.«
»Sagt dir dein Instinkt, dass er ein Mörder ist?«
»Ich weiß nicht mehr, was ich denken oder fühlen soll.«
Harry setzte sich im Bett auf. »Susan, mir ist gerade etwas eingefallen. Hör zu, kannst du morgen früh bei mir vorbeikommen, bevor ich zum Dienst gehe? Es hört sich verrückt an, aber ich habe ein kleines Opossum gefunden –«
»Hör mir auf mit deinen Pflegefällen, Harry! Ich hab das Eichhörnchen mit dem gebrochenen Bein aufgenommen, weißt du noch? Es hat meine Kleider angeknabbert.«
»Nein, nein. Der kleine Kerl hatte in seinem Nest einen Ohrring. Er ist verbogen, aber, nun ja, ich weiß nicht. Es ist ein sehr teurer Ohrring, und er kann ihn überall aufgelesen haben. Wenn er nun etwas mit diesen Todesfällen zu tun hat?«
»Okay, ich komm morgen rüber. Schließ deine Türen ab.«
»Hab ich schon.« Harry legte auf.
Mrs Murphy sagte zu Tucker, die auch auf dem Bett lag: »Manchmal ist sie schlauer, als man meint.«
40
Simon hörte Harry die Leiter hinaufklettern. Er freute sich auf sie, weil sie ihm gestern Abend leckere Hühnerknochen, altbackene Kekse und Hershey’s Schokoküsse nach draußen gestellt hatte.
Mrs Murphy schlug ihre Krallen in den Holm der Holzleiter und hangelte sich auf den Heuboden, bevor die Menschen oben anlangten. »Du brauchst keine Angst zu haben, Simon. Harry bringt eine Freundin mit.«
»Mehr als einen Menschen kann ich unmöglich ertragen.« Simon verkroch sich tiefer in die Heu- und Luzerneballen.
Harry und Susan hockten sich vor Simons Nest.
»Berechnest du ihm was für die Einrichtung?«, witzelte Susan.
»Er nimmt sich alles, was nicht niet- und nagelfest ist.« Mrs Murphy lachte.
»Ich nehme nur gute Qualität«, flüsterte das Opossum.
»Hier.« Harry holte den Ohrring aus dem Nest.
Susan nahm ihn in die Hand. »Gute Arbeit. Tiffany.«
»Sag ich doch.« Harry nahm den Ohrring und hielt ihn ans Licht. »Dir gehört er nicht, und mir gehört er nicht. Und Elizabeth MacGregor hat er auch nicht gehört.«
»Was hat Mrs MacGregor damit zu tun?«
»Die einzigen Frauen hier draußen an der Yellow Mountain Road
Weitere Kostenlose Bücher