Mrs Murphy 03: Mord in Monticello
vermutlich in Washington war. Als Mim sagte, sie müssten vielleicht den Pathologiebericht aus Washington abwarten, hatte ihr Rivale und Freund missbilligend gesagt: »Warten? Auf keinen Fall. Bloß nicht aufrichtig sein, Mim. Hier geht es um Politik, auch wenn sie Jahrhunderte zurückliegt. In der Politik werden deine Tugenden gegen dich verwendet. Es gibt eine private Moral und eine öffentliche Moral. Das versuche ich Warren immer wieder klarzumachen. Ansley versteht es, aber mein Sohn gewiss nicht. Du kannst denen sagen, was du willst, solange es sich gut anhört – und denk dran: Angriff ist die beste Verteidigung.«
Mim, die gelassen bei den hinter der Kamera aufgestellten Scheinwerfern stand, beobachtete Kimball Haynes, der auf die Fundstelle der Leiche deutete.
Little Marilyn beobachtete den Monitor. Ein Foto von dem. Skelett erschien auf dem Bildschirm. »Das ist ungehörig«, wütete Mim. »Man soll eine Leiche nicht vorzeigen, bevor die nächsten Angehörigen verständigt sind.«
Eine Hand ergriff ihren Arm und führte sie zu ihrer Markierung. Der Tontechniker befestigte ein winziges Mikrofon am Kragen ihres Kaschmirpullovers. Sie warf ihre Jacke ab. Ihre dreireihige Kette aus edlen Perlen lag schimmernd auf dem jagdgrünen Pullover.
Der Talkmaster glitt zu ihr hinüber, ließ sein berühmtes Lächeln aufblitzen und streckte die rechte Hand aus. »Mrs Sanburne, Kyle Kottner mein Name, ich freue mich sehr, dass Sie heute Morgen bei uns sein können.«
Er hielt inne, lauschte auf seine Kopfhörer und drehte sich zu der Kamera mit dem roten Licht. »Ich habe hier jetzt Mrs James Sanburne, die Präsidentin der Freunde der Restauration und die treibende Kraft bei dem Mulberry-Row-Projekt. Mrs Sanburne, erzählen Sie uns vom Leben der Sklaven zur Zeit Thomas Jeffersons.«
»Mr Jefferson nannte seine Leute Dienstboten. Viele von ihnen wurden von Familienangehörigen geschätzt, und unter dem Personal gab es zahlreiche äußerst tüchtige Leute. Jeffersons Dienstboten hingen an ihm, weil er an ihnen hing.«
»Aber ist das nicht ein Widerspruch, Mrs Sanburne, dass einer der Väter der Freiheit Sklaven hielt?«
Mim, die sich gut vorbereitet hatte, gab sich ernst und nachdenklich. »Mr Kottner, als Thomas Jefferson vor dem Unabhängigkeitskrieg als junger Mann im Abgeordnetenhaus war, sagte er, er habe sich um die Freilassung der Sklaven bemüht, sei aber damit gescheitert. Ich glaube, der Krieg hat ihn von diesem Thema abgelenkt. Wie Sie wissen, wurde er nach Frankreich geschickt, wo seine Anwesenheit für unsere Kriegsanstrengungen unerlässlich war. Frankreich war der beste Freund, den wir damals hatten.« Kyle wollte sie unterbrechen, aber Mim lächelte strahlend. »Und nach dem Krieg standen die Amerikaner vor der gewaltigen Aufgabe, eine neue, andere Regierung zu bilden. Wäre Jefferson später geboren worden, ich glaube, er hätte dieses heikle Problem erfolgreich angepackt.«
Erstaunt, weil eine Frau aus einem Ort, den er mit dem Styx gleichsetzte, sich ihm überlegen zeigte, sprang Kyle zu einem anderen Thema über. »Haben Sie eine Theorie, was die Leiche von Hütte Nummer vier betrifft?«
»Ja. Ich glaube, der Mann war ein leidenschaftlicher Gegner Jeffersons. Was man heute einen Verfolger nennen würde. Und ich glaube, ein Bediensteter hat ihn getötet, um das Leben des großen Mannes zu schützen.«
Ein Tumult brach aus. Alle fingen auf einmal an zu reden. Mim unterdrückte ein Lächeln.
Harry, Mrs Hogendobber, Susan und Market sahen sich die Sendung in dem tragbaren Fernsehapparat an, den Susan mit ins Postamt gebracht hatte. Mrs Murphy, Tucker und Pewter glotzten ebenfalls in die Röhre.
»Aalglatt.« Harry klatschte bewundernd in die Hände.
»Ein Verfolger! Woher hat sie das bloß?« Market kratzte sich an seinem kahl werdenden Kopf.
»Aus der Zeitung«, antwortete Susan. »Das muss man ihr lassen, sie hat die ganze Sklavenfrage umgekrempelt. Sie hat den Interviewer gelenkt statt umgekehrt. Bis die Wahrheit ans Licht kommt, wenn überhaupt, führt Mim die Medien an der Nase herum.«
»Die Wahrheit wird ans Licht kommen«, sagte Miranda im Brustton der Überzeugung. »Das tut sie immer.«
Pewters Schnurrhaare zuckten vor und zurück. »Hat zufällig jemand einen glasierten Doughnut? Ich hab Hunger.«
»Nein«, antwortete Tucker. »Du hast keinen Sinn für mysteriöse Geschichten.«
»Das ist nicht wahr«, verteidigte sie sich. »Aber ich kriege Mim täglich live zu sehen. Sie auch
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